Kindsköpfe: Roman (German Edition)
hatte.
»Ein paar spinnerte Freunde haben vor Jahren damit angefangen«, erzählte sie mit einem entwaffnenden Lachen. »Ich war neugierig und habe mir das mal angesehen. Und dann wollte ich es einfach probieren. Beim ersten Mal hatte ich noch Angst, man könnte mich beklauen, und ließ Portemonnaie und Handy zu Hause. Aber dann, bei der zweiten oder dritten Umarmung, stellte ich fest, dass es einfach nur guttat.«
Niklas musterte sie zweifelnd.
»Vor allem mir selbst.«
Erleichtert lachte Niklas. Diese Eva war längst nicht so esoterisch, wie er befürchtet hatte.
»Aber wenn du schwanger bist, hörst du doch damit auf, oder?«, sorgte sich Oliver.
»Warum denn? Das Baby kann sich so direkt an den Körperkontakt gewöhnen.« Niklas erschrak, als er feststellte, dass er das gesagt hatte.
Oliver zuckte mit den Schultern und lenkte das Thema auf Evas Schauspielerei. Sie probte seit kurzem mit einem Freund ein Comedy-Programm unter dem Namen Die Zwerchfellows. Sie hatte schon am Vorabend im Restaurant ein paar Szenen zum Besten gegeben und ließ sich nicht lange bitten, auch Niklas ein paar Auszüge vorzuspielen.
Eva genoss es offensichtlich, im Mittelpunkt zu stehen, und die Männer überboten sich darin, länger und lauter zu lachen. Niklas war längst ihrem Charme erlegen. Trotzdem gab es noch eine Frage, die ihn beschäftigte.
»Angenommen, wir machen das jetzt zusammen«, sagte er und leerte den Rest des Weins in Evas Glas. »Das heißt nicht, dass wir zusammen in den Urlaub fahren müssen, oder?«
Eben noch hatte Gelächter den Raum erfüllt, und plötzlich wurde es ganz still. Oliver begann, die Teller zusammenzustellen, überlegte es sich dann aber anders und verließ ohne Geschirr den Raum. Niklas wollte ihm folgen, doch Eva hielt ihn zurück.
»Ich will mich nicht in eure Beziehung drängeln. Das mit dem Urlaub kann sich ergeben oder auch nicht. Ich bin sicher die Letzte, die sich beschwert, wenn ihr mal zwischendurch für eine Woche in die Sonne wollt und das Kind mitnehmt. Wirke ich auf dich wie eine Glucke, die sich nur noch darüber definiert, endlich Mutter zu sein?«
Niklas fiel ein Stein vom Herzen. Glücklich drückte er Evas Hand und lief in die Küche. Oliver stand am Fenster und rauchte.
»Musste das sein, Niklas?«
Der holte unbeirrt den Prosecco aus dem Kühlschrank und füllte drei Gläser. Als Eva mit den schmutzigen Tellern aus dem Wohnzimmer kam, nahm er ihr das Geschirr ab und überreichte ihr im Gegenzug ihr Getränk. Dann zog er Oliver vom Fenster weg und hob sein Glas zum Anstoßen in die Luft.
»Also dann: Auf eine fruchtbare Zusammenarbeit!«
Rosenmontag riss sie das Telefon in aller Herrgottsfrühe aus dem Tiefschlaf. Niklas, der zuerst wach wurde, weckte Oliver, der fluchend aus dem Bett sprang und mit einem Fuß in dem Topf landete, aus dem sie nachts noch heißen Schokoladenpudding gelöffelt hatten, als sie von ihrem Saufgelage zurückgekehrt waren. Nachdem der Prosecco leer war, hatten sie Eva in die Eckkneipe geführt, wo sie auf Tequilas umgestiegen waren. Und da am Montag niemand arbeiten musste, hatten sie sich am Sonntag gleich wieder mit ihrer neuen Freundin getroffen, die nochmal richtig zechen wollte, bevor sie schwanger wurde. Bei der Gelegenheit hatten sie eine Liste an Vornamen für ihr Kind zusammengestellt. Eva, die als Rauscheengel verkleidet war, und Oliver mit seinen Vaterschaftsinsignien wünschten sich einen Jungen namens Orlando, während Niklas, schon um dies zu verhindern, auf ein Mädchen hoffte, das er Fanni nennen wollte, nach seiner Großmutter.
»Wo wart ihr denn die ganze Nacht? Man wählt sich ja die Finger wund … «, dröhnte es Oliver aus dem Hörer entgegen, und er reichte ihn an Niklas weiter.
Mutter Tiedemann schrie wie immer ins Telefon, als traue sie der Technik nicht und meinte, sich mittels Lautstärke über die Distanz verständlich machen zu müssen.
»Wieso rufst du auch mitten in der Nacht an?«, maulte ihr Sohn und lief ins Badezimmer, auf der Suche nach Aspirin. In der Hausapotheke befanden sich zwei Packungen, doch beide waren leer. Das war typisch Oliver.
»Es ist schon nach sieben!«, verteidigte sich seine Mutter.
»Ich weiß, wie spät es ist. Du hast aber offensichtlich noch früher angerufen, sonst wüsstest du ja nicht, dass wir nicht zu Hause waren.«
Mit dröhnendem Kopf kehrte er ins Schlafzimmer zurück, wo ihm Oliver eine halbleere Sprudelflasche entgegenhielt, als sei Wasser ein Ersatz für seine
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