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Kindsköpfe: Roman (German Edition)

Kindsköpfe: Roman (German Edition)

Titel: Kindsköpfe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kriss Rudolph
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seinem Großvater schien er Gefallen zu finden, diesem Hünen, um dessen Glatze ein dichter weißer Haarkranz wuchs. Als Herr Heinze die Fingernägel des Jungen entdeckte, die Lotte zur Feier des Tages violett lackiert hatte, tauschte er mit seiner Frau einen Blick, von dem er dachte, dass er Niklas entginge. Für den gab es nun keinen Zweifel mehr, dass der Tag in einem Fiasko enden würde.
    Vater Heinze verbrachte den ganzen Nachmittag wie festgenagelt auf dem Sofa und trank sein Kölsch; von der Führung, die Niklas den Gästen angeboten hatte, wollte er nichts wissen, als habe er Angst, noch mehr Dinge entdecken zu müssen, die sein Weltbild durcheinanderbringen könnten. So blieb er mit Oliver im Wohnzimmer, während Niklas seine Schwiegermutter herumführte. In der Küche erklärte er ihr Sinn und Zweck der Schultafel und verschwieg dabei nicht, dass sich die Flucherei der Kinder tatsächlich etwas gelegt hatte. Frau Heinze hörte aufmerksam zu, fragte aber nicht nach. Im Kinderzimmer lauschte sie sogar geduldig Lottes neuer Lieblings-CD von LaFee, bis Niklas sie nach dem ersten Song rettete, in dem es hieß:
    »Kann denn Liebe Sünde sein, nein! Du und ich, wir sind hier ganz allein.«
    Hannes dagegen hielt sich mit großer Begeisterung an Herrn Heinze, der sogar sein Lieblingspiratenschiff anfassen durfte. Der Alte hörte dem Geplapper des Jungen, der ihm die verschiedenen Funktionen vorstellte, jedoch kaum zu, so gebannt starrte er auf dessen Fingernägel.
    Niklas wollte den Besuch schon fast als erträgliche Episode verbuchen, die man irgendwann, wenn auch nicht zu bald, hätte wiederholen können, und sei es, um Olivers armer Mutter einen netten Nachmittag zu bereiten. Doch als Hannes für einen Moment das Zimmer verließ, um seinen grantigen Großvater auch noch mit der Besatzung seines Schiffes bekannt zu machen, nutzte der Alte die Gelegenheit, eine Frage zu stellen, die ihm schon den ganzen Nachmittag unter den unlackierten Nägeln gebrannt haben musste.
    »Und wann gedenkt ihr, die Kinder zur Adoption freizugeben?«
    Niklas war so schockiert, dass ihm die Spucke wegblieb. Frau Heinze starrte in ihren Kaffee und ließ ein leises, absurdes Räuspern von sich hören, um dann doch nichts zu sagen.
    »Ich dachte, das wolltest du immer«, sagte Oliver langsam. »Dass ich eine Familie gründe und … Kinder habe. Meinen ›Teil zur Gesellschaft beitrage‹.«
    Hannes kehrte mit seinen gesammelten Piratenfiguren zurück, die er vor sich her trug, als wollte er sie seinem Großvater als Opfer darbringen. Doch Niklas fing ihn ab und zog ihn unter einem Vorwand aus dem Wohnzimmer. Er blieb bei den Kindern, bis er wenig später hörte, dass Oliver seine Eltern im Flur verabschiedete. Danach wurde langsam die Tür zum Kinderzimmer aufgeschoben, und ein tiefblaues, tieftrauriges Augenpaar sah herein.
    Da Niklas gerade Lottes neuer Puppe das Haar kämmte, sagte Oliver mit belegter Stimme zu ihm: »Das ist nicht dein Geschenk.«
    Niklas zog einen Flunsch. »Mir haben sie ja nichts mitgebracht!«
    Hannes legte ihm zum Trost seinen neuen Fußball in den Schoß.
    »Ich hätte es wissen müssen«, sagte Oliver zerknirscht, als es an der Tür schellte.
    Wenig später vernahm Niklas die atemlose Stimme von Frau Heinze. Sie drückte ihren verblüfften Sohn an die Brust und sagte: »Ich musste einfach nochmal zurückkommen.«
    Dann fuhr sie mit ihrem Mann, dem Karnevalsverwalter, zurück ins Mittelalter.

7 : Spanien
    Es war der letzte Tag vor den Osterferien, aber das beeindruckte das Wetter wenig. Als Niklas am Morgen mit Hannes und Lotte zur Schule aufbrechen wollte, empfing sie vor dem Haus eine dichte Wand aus Nebel und Regen. Er hatte in einer Seitenstraße geparkt, und so bat er die Kinder, vorm Hauseingang zu warten, dann rannte er los. Trotz Schirm war er völlig durchnässt, als er am Wagen ankam. Bibbernd sprang er hinein, startete den Motor; da fiel ihm der Flyer auf, der an der Seitenscheibe des Nachbarautos klebte. Vor lauter Regen konnte er kaum etwas erkennen, aber als er sein Fenster herunterfuhr, stellte er fest, dass es sich um einen Prospekt für ein mallorquinisches Bergdorf handelte, das idyllischen Urlaub am Meer versprach, fernab von Ballermann und Sangria in Putzeimern. Niklas tippte die Nummer in sein Handy, vielleicht würde es sich irgendwann ergeben, im Moment war in der Agentur einfach zu viel los.
    Da die Kinder nicht wie vereinbart vor dem Hauseingang warteten, nahm er an, dass sie vor dem

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