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Kindsköpfe: Roman (German Edition)

Kindsköpfe: Roman (German Edition)

Titel: Kindsköpfe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kriss Rudolph
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nebeneinander, einer mit Lotte zur Linken, zur Rechten der andere mit Hannes. Vor dem Start beugte sich Oliver zu Niklas hinüber, um sich einen Kuss abzuholen. Niklas, der sich seit seinem Gespräch mit Lotte albern und entblößt vorkam, berührte nur flüchtig seine Lippen.
    »Das war jetzt wohl einer von deinen berühmten Onkel-Küssen«, meinte Oliver.
    »Klappe halten und anschnallen!«
    Dann begannen die Turbinen zu schnurren.

    Deia lag etwas abgelegen im Nordwesten der Insel, ein verschlafen wirkendes Nest mit steilen, winkeligen Gassen und ockerfarbenen Häusern mit grünen Fensterläden, in denen sich zahlreiche Künstler niedergelassen hatten, zumeist Dichter oder Maler aus Deutschland und Großbritannien. Das Dorf war von einer eher spröden Schönheit und hatte nicht eben ein Überangebot an fotografierenswürdiger Architektur zu bieten, doch jedes Jahr im Frühling verbündeten sich Lavendel, Ginster, Hyazinthen und Klatschmohn mit den Millionen von Mandelbäumen und streiften dem Tal ein Kleid aus lilafarbenen, gelben, pastellenen, roten und zartrosafarbenen Blütentupfern über, dass es eine Pracht war.
    Ihre Unterkunft lag in den Bergen, zu erreichen nur über einen schmalen, unbefestigten Feldweg. Die Gärten ringsum waren verwildert; Zitronenbäume und Johannisbrotbäume wuchsen, wie es ihnen passte. Die Casita, in der die vier die nächsten Tage wohnen würden, lag am Fuße eines kleinen Grundstücks; das Häuschen war einfach eingerichtet, aber ein Kamin und mosaikverzierte Wände verliehen ihm einen gewissen Charme. Oben im Haupthaus wohnte neben diversen Katzen und einem Hund ihre Gastgeberin Ellen, eine junge Deutsche, die vor Jahren mit ihrem Freund ausgewandert war und hier vom Tourismus lebte. Niklas mochte die Frau auf Anhieb; sie war seit langem der erste Mensch, der die Männer nicht fragte, ob ihre Frauen später nachkommen würden.
    Gleich am ersten Tag schlugen sie sich auf Ellens Empfehlung über alte Piratenpfade in ein Nachbardorf, doch statt der veranschlagten 30 Minuten benötigten sie zwei Stunden, weil Hannes an keinem Baum vorbeigehen konnte, ohne hinaufzuklettern. Niklas wollte den Jungen an die Hand nehmen, um schneller voranzukommen, doch Oliver erinnerte ihn daran, dass es keine Sitzung gab, an der sie pünktlich teilnehmen mussten.
    »Nik, wir sind hier im Urlaub.«
    »Wie geht denn das nochmal … Urlaub?«
    Das ging so: Sie verbrachten die folgenden Tage meist in einer romantischen kleinen Bucht mit Kiesstrand, vorausgesetzt, es gelang ihnen, die Kinder von November und April zu trennen, den Katzen, die – Sonne hin, Strand her – für Lotte und Hannes wohl die Hauptattraktion ihres Urlaubs darstellten. Manchmal war es den Männern ganz recht, wenn die Kinder vom Streicheln und Liebkosen nicht genug kriegen konnten, so hatten sie Gelegenheit, sich nach langer Zeit mal wieder auf ebendiese Art miteinander zu beschäftigen.
    Hannes fühlte sich an diesem Flecken der Erde sauwohl, wo man von Mutter Natur großzügig mit Johannisbrot versorgt wurde, das überall wuchs, herabfiel und herumlag, und wo es nie an Katzen mangelte, sodass er seine Väter jeden Tag zu überreden versuchte, November zu adoptieren und mit nach Deutschland zu nehmen.
    Seine Schwester blühte unter der spanischen Sonne regelrecht auf; sie schien unbeschwerter und fluchte auch weniger, außer als sie eines Abends im Spiegel entdeckte, dass ihre Nase mit Sommersprossen übersät war, die sie mit der gleichen Leidenschaft hasste, wie ihre Mutter es früher getan hatte.
    »Kann man denn nichts gegen diese Kack-Flecken machen?«, rief Lotte.
    »Schade, dass nicht Karneval ist«, sagte Oliver, »sonst würde ich dir eine Pappnase empfehlen.«
    Lotte verdrehte die Augen. »Voll witzig!«
    Am Morgen des Ostersamstags zeigten sich dicke Wolken am Himmel, der sich bis dahin nur von seiner blauesten Seite präsentiert hatte. Niklas nahm die Sonnenpause als willkommenen Anlass, seine Familie allein loszuschicken, denn er musste arbeiten. Nadja hatte Ellen angerufen und ihm mitteilen lassen, dass er sich nun doch selber um die Schwarzfahrer kümmern musste. Sie hatte etwas von französischen Delikatessen gefaselt, die ihr kurzfristig dazwischengekommen seien.
    Oliver, der seinem Freund vor der Reise das Versprechen abgenommen hatte, die Agentur in Düsseldorf zu lassen, war verärgert. Nach dem Frühstück zog er seine weiße Baseballkappe auf, die seine unverschämte Bräune betonte, dann packte er die Kinder

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