Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kindsköpfe: Roman (German Edition)

Kindsköpfe: Roman (German Edition)

Titel: Kindsköpfe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kriss Rudolph
Vom Netzwerk:
nach dem erleuchtenden Besuch von Herrn Lothar bestätigt gefühlt, doch nun bereitete ihm Lottes Euphorie ein wenig Sorge. Für alle Fälle hatte Niklas Vorkehrungen für den Nachmittag getroffen; beim Wiedersehen mit Wolfram wollte er nichts dem Zufall überlassen.
    »Willst du es denn immer noch?«, fragte er. »Wir können die Sache jederzeit abblasen, weißt du?«
    Lotte nickte heftig und äußerte den Wunsch, zur Feier des Tages ein Kleid anzuziehen. Ausnahmsweise erlaubte Niklas ihr auch, sich ein wenig für ihren Vater zu schminken – das war Teil seines Plans.
    Die Kleine erkundigte sich, mit wem ihr Papa verheiratet war.
    »Wir wissen auch nur, dass sie im Neandertal wohnt«, sagte Oliver.
    »Maki sagt, es ist okay, wenn ich sie nicht mag.«
    Niklas fühlte sich zum ersten Mal sehr einverstanden mit einem Ratschlag von Lottes kluger Freundin. Er stellte sich die neue Frau Bayer als kleine naive Sexbombe vor, die leicht lispelte und zu allem Ja sagte. Er hätte sein volles Haar dafür gegeben, um zu erfahren, welche Lügen Wolfram ihr über sein Vorleben aufgetischt hatte.
    »Vielleicht ist sie ganz nett«, sagte Niklas.
    Oliver buchstabierte grinsend das Wort ›Heuchler‹.
    Lotte wollte wissen, ob Wolfram die Neue schon damals gekannt hatte, als er von zu Hause abgehauen war.
    »Das weiß ich nicht, Schatz. Das musst du ihn selber fragen.«
    »Nur vielleicht nicht gleich zur Begrüßung«, riet Oliver.
    Sie ließen den Rest von Lottes Pizza einpacken und gingen heim, als die Kirchenglocken schon 14 Uhr schlugen. Die Zeit drängte etwas, Niklas hatte zwei Überraschungsgäste eingeladen.

    Mit einer geradezu feindseligen Pünktlichkeit erschien der böse Wolfram bei den beiden Geißlein. Die vergangenen Jahre hatten ihn kaum verändert, er trug noch immer den alten Bürstenhaarschnitt. Allerdings war seine speckige Lederjacke verschwunden; er vergrub seine Hände in den Taschen eines weinroten Seidenblousons. In seiner hilflosen, etwas linkischen Art stand er in der Tür und wünschte der Fußmatte einen guten Tag.
    »Wo sind deine Ohrringe und das Kopftuch?«, fragte Niklas.
    Sein früherer Schwager sah verwirrt zu ihm auf.
    »Hannes wird enttäuscht sein.«
    Wolfram, der in seinem Blouson wirkte wie hineingeprügelt, drehte sich zur Seite, und eine zweite Person trat ins Licht. Der Anblick verschlug Niklas für einen Moment die Sprache. Er kannte die Frau, und dieses Mal hatte er keine Probleme damit, sie zuzuordnen.
    »Guten Tag.« Sein Schatten vom Trödelmarkt, die angebliche neue Nachbarin, reichte ihm lächelnd eine eiskalte Hand. Er nahm sie zögerlich, um Zeit zu gewinnen. Niklas hoffte, dass ihr Auftauchen nicht seinen schönen Plan durcheinanderbrachte.
    »Ich bin Petra, Wolframs Frau.«
    »Das tut mir leid.«
    Mit spröden Lippen lächelte sie tapfer über die Beleidigung hinweg, doch ihr kleiner spitzer Mund wirkte zickig. Wolframs Neue war nicht hässlich, nur etwas blass, und sie hatte auf Make-up verzichtet. Zwischen den Brüsten, die unter ihrer weißen Bluse durchschnittlich wirkten, baumelte ein silberner Kettenanhänger in Form eines Kreuzes.
    »Dürfen wir vielleicht reinkommen?«
    Niklas führte die Besucher ins Wohnzimmer, wo Oliver in seinem Schaukelstuhl langsam vor- und zurückwippte.
    Petra blickte sich neugierig um. »Wo sind die Kinder?«
    »In ihrem Zimmer.« Niklas schenkte Kaffee ein.
    »Wir dachten, wir unterhalten uns vorher«, sagte Oliver, ohne das Wippen einzustellen.
    »Dann bist du sein Freund?«, erkundigte sich Petra.
    »Seit sechs Jahren, fünf Monaten und zwanzig Tagen, wenn du es genau wissen willst. Wir wohnen zusammen, wir schlafen zusammen, und manchmal baden wir auch zusammen.«
    Ihr Dauerlächeln war durch nichts zu erschüttern. »Und seit neuestem spielt ihr auch noch Vater, Mutter, Kind.«
    »Vater, Vater, Kind«, korrigierte Oliver sie liebenswürdig.
    »Ich habe immer noch nicht verstanden, wieso du dich so plötzlich für die Kinder interessierst«, wandte sich Niklas an Wolfram.
    »Ich bin ihr Vater«, wiederholte er steif.
    »Ja, komischerweise vergesse ich das immer wieder.«
    Petra ergriff kurz die Hand ihres Mannes, als müsste sie ihn beschützen. »Gott wollte, dass Wolfram wieder zu seinen Kindern findet. Darum hat er Inken zu sich genommen«, sagte sie, als wäre es das Offensichtlichste.
    »So habe ich das natürlich noch gar nicht gesehen«, entgegnete Niklas bitter.
    Petra trank ruhig ihren Kaffee. Etwas an der Art, wie sie ihre Tasse zum

Weitere Kostenlose Bücher