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Kindsköpfe: Roman (German Edition)

Kindsköpfe: Roman (German Edition)

Titel: Kindsköpfe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kriss Rudolph
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geht vorbei.«
    Die Maki-sagt-Phase war offenbar beendet. Niklas erschrak, wie schnell Lotte eine neue Heldin gefunden hatte, und ließ das Kind los.
    »Wie ist sie denn so, die Frau, die euer Papa lieber hat als eure Mutter?«
    »Voll nett.«
    Dann rief ihre Großmutter, und Lotte humpelte zurück zu den anderen.
    Beim Essen beobachtete Niklas Hannes ganz genau. Er fand, dass das Gesicht des Jungen schmal geworden war, schmaler jedenfalls, als es die Fotos belegten, die haufenweise an der Wand hinter ihm hingen.
    »Kann denn Petra überhaupt kochen?«, erkundigte er sich bei Hannes, worauf seine Mutter ihm einen mahnenden Blick zuwarf, den er sofort erwiderte, als sie sich über die Teller der Kinder beugte, um ihre Schnitzel zu schneiden.
    »Gampf gup« , urteilte Hannes, der einen halben Kloß auf einmal verdrückte.
    »Aber es gibt nur einmal die Woche Fleisch«, erklärte Lotte. »Petra sagt, zu viel Fleisch ist nicht gesund.«
    »Und euer Papa? Findet der das auch?«, wollte Niklas wissen.
    »Er muss doch stark sein, wenn er beim Fußball gegen dich gewinnen will«, fing nun auch Oliver an. Hannes erklärte ihm, dass sein Papa zu müde sei, mit ihm zu spielen, wenn er von der Arbeit heimkäme.
    »Jetzt wird nicht geratscht! Das Essen wird kalt.«
    Die schmalen Lippen seiner Mutter und das missbilligende Auf und Ab ihrer Mundwinkel machten Niklas klar, dass sie vor den Kindern keine Diskussion von Petras Erziehungsmethoden wünschte.

    Nach dem Essen fuhren sie raus nach Kaiserswerth, dem nördlichsten und nach Oberkassel zweitschönsten Flecken Düsseldorfs. Dort wollte Oliver mit den Kindern zum Vergnügen auf einer Fähre zur anderen Rheinseite übersetzen. Es war keine spektakuläre Reise, der Fluss kannte breitere Stellen, doch Oliver liebte das Wasser; er war von allem fasziniert, was darin schwamm oder darauf fuhr, und hatte die Kinder längst angesteckt. Bevor sie die Fähre betraten, fing er plötzlich an, sich zu schütteln und steckte sich eine Zigarette an.
    »Wisst ihr, was ich heute Nacht geträumt habe? Köln ist im Meer versunken. Eine Riesen-Welle – und schwupps!«
    Niklas unterdrückte ein Grinsen und kraulte zärtlich Olivers Bart.
    »Zum Glück warst du hier, in Sicherheit.«
    Da Niklas’ Mutter auf Schiffen schlecht wurde, blieben die beiden zurück und schlenderten am Ufer entlang.
    »Was wird jetzt aus den Kindern?«, erkundigte er sich.
    Seine Mutter ließ sich Zeit mit ihrer Antwort. Dann erzählte sie, dass sich für Hannes auf die Schnelle kein Platz im Kindergarten und für Lotte keine Schule in Mettmann finden ließ, warum die Kinder bis zu den Sommerferien ihre Vormittage am gewohnten Ort verbrachten. Da die beiden nie zur gleichen Zeit fertig waren und der Neandertalerin nicht der Sinn danach stand, sich länger als nötig in Düsseldorf aufzuhalten oder gar zweimal am Tag ihre Höhle zu verlassen, oblag es Frau Tiedemann, die Kinder eins nach dem anderen aufzulesen und abzufüttern, damit Petra sie später bequem einsammeln konnte. Einen Nachmittag pro Woche verbrachten die Kinder sogar vollständig bei ihrer Großmutter, wenn Petra in einer katholischen Gemeinde einem Sekretärinnenjob nachging.
    »Den Kindern geht es gut bei ihrem Vater«, schloss Frau Tiedemann und strich langsam den Scheitel zurück, den der Wind ihr zerzaust hatte. Sie liefen an der Kaiserpfalz vorbei, einer alten Burgruine, die dort lag wie ein hohler Zahn. Man konnte sie das halbe Jahr besichtigen und in ihr herumklettern, doch Niklas kam sein eigenes Leben schon ruinös genug vor.
    »Weißt du, was diese Miesepetra gesagt hat: Gott hätte es so gewollt, dass die Kinder bei ihnen leben. Wo war denn dieser Gott, als Wolfram Inken verlassen hat? Hat er ihm vielleicht geholfen, die Wohnzimmercouch rauszutragen?«
    »Jeder verdient eine zweite Chance im Leben.«
    Ein fröhlich lachendes Pärchen kam ihnen entgegen. Es war eine für das feine Kaiserswerth typische Kombination: Er war alt genug, um ihr Vater zu sein, doch sie hing zu sehr an seinen Lippen – und in seinem Arm –, um diese Deutung zuzulassen. Frau Tiedemann verfolgte sie mit feindseligen Blicken, als sie sie passiert hatten. Dann hakte sie sich bei ihrem Sohn ein.
    »Vielleicht war es ein Fehler, dass ich damals nicht wieder geheiratet habe. Vielleicht wäre Inkens Ehe nicht gescheitert, wenn sie ein intaktes Familienleben gekannt hätte.«
    »Jetzt ist es Inkens Schuld?«
    Er konnte nicht fassen, wie leichtfertig seine Mutter an der

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