Kindsköpfe: Roman (German Edition)
habt … «
»Von verloren kann gar keine Rede sein.«
»Verstehen sie sich nicht mit ihrer neuen Mutter?«
»Nein, ich verstehe mich nicht mit ihrer neuen Mutter.«
Niklas machte sich los und ging weiter, doch Nadja ließ sich nicht abschütteln.
»Darf ich an dieser Stelle nochmal das Thema Hund ins Gespräch bringen?«
»Was sollte ich nochmal nehmen? Einen Mops, richtig?«, entgegnete Niklas sarkastisch.
»Warum fährst du nicht für ein paar Tage weg und erholst dich ein bisschen? Eine Woche Mykonos, und der Kummer ist wie weggeblasen.«
»Aua. Das macht fünf Euro für die Kalauerkasse.«
Nadja grinste, und der Brilli zwischen ihren Zähnen funkelte. »Das war’s mir wert.«
13 : Kind im Brunnen
Niklas war spät dran, als er das kleine Theater endlich erreichte. Am Nachmittag war er beim Friseur gewesen und hatte sich danach mit Mattis getroffen, um das Ergebnis seiner Arbeit zu begutachten. Dort war er schon mit leichter Verspätung losgefahren und hatte dann noch in Köln die richtige Abfahrt verpasst. Er hielt das für ein Zeichen, dass er in dieser Stadt nichts verloren hatte – als ob es dafür noch eines weiteren Beweises bedurft hätte.
Er fuhr nicht zu Evas Premiere, um sich von ihren schauspielerischen Fähigkeiten zu überzeugen. Vielmehr hoffte er, Oliver dort zu treffen, der seit dem missglückten Antrag untergetaucht war. Es gab etwas Wichtiges zu besprechen.
Die Vorstellung hatte schon begonnen, als ihn ein Mitarbeiter des Theaters in den Saal führte und auf den reservierten Platz in der zweiten Reihe deutete. Plüschige Sessel waren in bunten Vierergruppen um kleine Tischchen drapiert. Schon von weitem konnte Niklas seinen Freund an der Mütze erkennen. Ein grünes Modell. Vielleicht ein Zeichen der Hoffnung, dachte Niklas.
Eva steckte sich gerade auf der Bühne eine Zigarette an. Sie trug einen roten Daunenmantel und darunter einen weißen Kapuzenpulli. Von oben rieselte Kunstschnee auf sie herab.
»Und in Bett-lehem habe ich gelernt, was ›gibbet nicht‹ auf Hebräisch heißt.« Sie setzte die Kapuze auf und stellte ihren Fuß auf eine Gießkanne aus rotem Plastik. »Nämlich lehem , denn alle Hotels waren ausgebucht, bis aufs letzte Bett.«
Ein Teil des Publikums kicherte. Nur die Zuschauer in der zweiten Reihe, an denen sich Niklas vorbeiquetschte, machten ein böses Gesicht.
»Ich musste den Jungen dann in einem Stall zur Welt bringen. Jesus, war das ein Dreck!«, schimpfte Eva weiter. »Aber ich konnte mich sowieso nicht mehr rühren. Die letzten Meter musste mich der Esel tragen, weil mir die Füße wehtaten … Klar hat der lamentiert, aber ich hab zu ihm gesagt: Josef, beschwer dich beim Papst! Der hat die Pille verboten. Nicht ich.«
Vor allem die weiblichen Zuschauer quietschten vor Vergnügen. Auch Oliver strahlte, als Niklas den Platz neben ihm erreichte.
»Das ist Mary Christmas«, flüsterte er und deutete stolz auf die Bühne.
»Auf jeden Fall besuche ich jetzt seit fast zweitausend Jahren einmal die Woche Jesu Grab. Aber der Bus nach Jerusalem fährt nur morgens und abends und hält an jeder Oblate!« Ärgerlich drückte Mary Christmas ihre Zigarette an ihrer Gießkanne aus. »Ja, da hätte er sich mal drum kümmern sollen! Aber nein, Jesus musste ja immer die ganzen Behinderten anfassen und so. Ach, es war ein Kreuz mit dem Jungen!«
Unterdrücktes, unentschiedenes Lachen machte die Runde, weil man nicht sicher war, ob man über einen Behindertenwitz lachen durfte – wenn es denn einer war.
»Deine Haare sind schon wieder ab«, flüsterte Oliver vorwurfsvoll und schob seine Hand auf Niklas’ Oberschenkel.
Der griff glücklich danach und hielt sie fest. »Ich weiß.«
»Kommst du deshalb so spät?«
»Nein, aber das erzähle ich dir nachher. Es gibt tolle Neuigkeiten.«
»Gleichfalls.«
Die Frau in Rot trat ab, und das Publikum applaudierte.
»Bravo!«, rief Oliver.
Verstohlen musterte Niklas seinen Freund. Es freute ihn, dass er sich so prächtig amüsierte. Aus einer rheinländischen Selbstverständlichkeit heraus würde Oliver das Programm später in den höchsten Tönen loben. Niklas war immer wieder aufs Neue gerührt von der Begeisterungsfähigkeit seines Freundes.
Die folgende Szene spielte in einer Art Kaufmannsladen mit recht homogenem Sortiment: Kondome in allen Größen und Farben. Eva, eine Verkäuferin mit polnischem Akzent und einem T-Shirt mit dem Konterfei des Papstes, klärte das vergnügte Publikum auf, was das Angebot an
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