Kindsköpfe: Roman (German Edition)
vor die Stirn. »Du bist an Maki gefesselt.«
Lotte kicherte wieder.
»Okay, Vorstellung beendet. Kannst du die jetzt bitte aufschließen?!« Wütend zerrte die Neandertalerin an den Handschellen, bis Lottes Freundin sie daran erinnerte, dass ihre Hände noch drinsteckten.
»Soll ich?« Niklas fragte Lotte zuerst. Die schien sich nicht ganz sicher zu sein, ob sie sich gegen Petra stellen sollte. Also blinzelte er Maki zu.
»Erst, wenn sie verspricht, dass wir uns häufiger sehen können. Das ist doch voll Scheiße so«, sagte der kleine Sonnenschein.
»Ja!!!« Lotte hatte das Spiel offenbar verstanden.
»Was soll man machen?«, sagte Niklas. »Die Kinder hängen aneinander.«
Wolframs Frau zog ein Gesicht, als würde sie ihn am liebsten an die Mädchen ketten und das ganze Paket im Rhein ertränken. Doch schließlich willigte sie ein, Lotte einmal die Woche zu ihrer Freundin zu lassen. Nach dieser Zusage händigte Niklas der Neandertalerin die Schlüssel aus.
Bevor er sich verabschiedete, deutete er auf das Geschenk, das er Hannes zu seinem bevorstehenden sechsten Geburtstag mitgebracht hatte.
»Nicht noch eine Piratenburg!«, stöhnte Petra und holte ein identisch großes Paket aus dem Schrank.
Verblüfft sah Niklas zu Lotte.
»Das hat Oli gestern geschickt!«, erklärte das Kind strahlend.
Niklas trottete enttäuscht die Stufen hinab. Kaum hatte er den Vorgarten betreten, als über ihm ein Fenster geöffnet wurde, in dem Petras hochroter Kopf erschien.
»Wenn du dich noch einmal hierher wagst, hole ich die Polizei!«
Niklas setzte nie wieder einen Fuß in ihre Höhle, denn nach ein paar Tagen erhielt er einen Anruf seiner Mutter, die sich etwas umständlich nach seinem Arbeitspensum erkundigte und für ihre Verhältnisse ein sehr starkes Interesse an einem Auftrag äußerte, den die Agentur durch eine Ausschreibung der Landesregierung erhalten hatte. Bis Niklas nach dem eigentlichen Grund ihres Anrufs fragte und erfuhr, dass Petra sie gebeten hatte, die Kinder, die sie heute eigentlich nur zum mittäglichen Abfüttern bei ihrer Großmutter parkte, noch etwas länger zu hüten: Ihr Auto sprang nicht an.
»Normalerweise ist das überhaupt kein Problem, aber ich muss noch zwei Kleider ändern, und da kann ich es nicht gut haben, wenn mir ständig jemand zwischen den Füßen herumwuselt.« Im Hintergrund ratterte ihre Nähmaschine. »Und wenn ich nachher zum Kunden fahre, kann ich sie schlecht mitnehmen.«
»Hast du das Petra auch gesagt?«
»Ihr Auto ist kaputt, Niklas.«
Niklas betrachtete die Mappen auf seinem Schreibtisch. Berge von Arbeit lagen vor ihm. Das Land erwartete einen ersten Entwurf bis Ende der Woche, und um fünf kamen die Kölner, wegen des Frauenautos. Er konnte unmöglich weg.
»Ich bin in einer halben Stunde bei dir.«
Zehn Minuten später verschloss er sein Büro und schlich aus der Agentur, gerade als Jay sein Fahrrad vor dem Haus abstellte. Im Rückspiegel beobachtete er, wie der Kurier mit seinen strammen Waden die Stufen hinaufsprang, und Niklas versuchte, sich den Anblick so gut wie möglich einzuprägen.
Als Niklas die letzten Stufen des Treppenhauses erklomm, drang aus der Wohnung bereits das Rattern der Nähmaschine und wildes Kindergeheul. Lotte stand pfeifend in der Tür, das Lied vom schlechten Gewissen.
»Habt ihr euch gestritten?«, fragte er und machte sich auf die Suche nach ihrem Bruder. Die halb offene Wohnzimmertür gewährte einen Blick auf seine Mutter, die hinter ihrer Maschine saß und wie eine Wahnsinnige das Pedal trat.
»Hannes hat mich an den Haaren gezogen!«, klagte Lotte und führte ihn ins Schlafzimmer. Ihr Bruder lag bäuchlings auf dem Bett und schluchzte. Im Arm hielt er Luzie, die seine Schwester ihm zum Trost überlassen hatte.
»Und? Woran hast du ihn gezogen?« Niklas nahm den Kleinen auf den Arm und wischte seine Tränen fort. Lotte fand, es war an der Zeit, ihre Lieblingsluzie wieder in ihren Besitz zu bringen, und riss die Puppe an sich.
»Nichts«, sagte sie, grammatikalisch nicht ganz korrekt, und auch ihr gewollt argloser Tonfall strafte sie Lügen.
»Warum tut ihr euch gegenseitig weh?«
»Oliver und du, ihr habt euch doch auch geschlagen.«
Niklas seufzte. Man konnte dem Kind nichts vormachen; es war gescheiter als ihre Lügen. So beschloss er, das Thema zu wechseln, und schlug vor, einen Ausflug zu unternehmen.
»Kommt Oli auch?«, fragte Hannes, der sich wieder beruhigt hatte.
»Wir … können ihn ja mal anrufen.« Er
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