Kindsköpfe: Roman (German Edition)
offenbar wegmussten. Also entschied er sich für einen großen Salat, während Oliver eine Pizza bestellte.
»Was hast du denn mit Pino gemacht?«
»Nichts«, sagte Niklas ein wenig zu schnell, »was soll denn sein?«
»Sonst frisst er dich mit seinen kleinen Knopfaugen auf, wenn wir hier sind. Und heute ignoriert er dich wie eine Dose Fertigravioli.«
»Was du dir immer einbildest.«
Pino schien von der Situation ebenso überfordert wie Niklas, dem er aus Versehen Fettucine servierte. Doch der beschloss, sie zu essen.
»Guten Appetit!«
Oliver betrachtete ihn, als würde er lebende Käfer verspeisen. »Du lässt es nicht zurückgehen?«
»Wozu? Das hält nur auf, ich hab Hunger.«
»Das ist das erste Mal in einem Restaurant, dass du nichts auszusetzen hast.«
»Ich glaube, Pino braucht einfach mal Urlaub. Wie ist deine Pizza?«
Zögerlich griff Oliver nach seinem Besteck. Dann wischte er sich mit der Serviette über den Mund, obwohl er noch keinen Bissen gegessen hatte.
»Ich wollte dir was sagen.«
In diesem Moment ließ ein Blitz die Straße taghell erleuchten, unmittelbar gefolgt vom Krachen eines Donners, und im gleichen Moment begann der Regen, als hätte ihn jemand angeschaltet. Tony Bennett konnte sich kaum noch durchsetzen gegen das Rauschen der Wassermassen, die mit einer immensen Heftigkeit niederstürzten. Binnen Sekunden war die Straße überflutet.
Oliver fuhr herum. Als handelte es sich um sein erstes Gewitter, lief er zum Fenster und beobachtete fasziniert das Naturschauspiel, das sich draußen bot. Unterdessen ließ Niklas seine Nudeln zurückgehen.
»Das sind ja fast mallorquinische Verhältnisse!«, schwärmte Oliver, als er zu Niklas zurückkehrte. Er stockte, als er den Brief entdeckte, der neben seinem Teller lag. Während er den Text der einstweiligen Verfügung las, vermehrten sich die Zornesfältchen in seinem Gesicht.
»Jetzt sind sie komplett übergeschnappt!«
Dankbar, weil Oliver ihm keine Vorwürfe machte, erzählte Niklas, dass es an dem Nachmittag passiert war, als sie in Köln verabredet waren.
»Das lasse ich mir natürlich nicht gefallen, ich war schon bei der Anwältin.«
»Es tut mir leid, dass ich nicht da war. Ich hatte Angst.«
»Die hatte ich auch«, sagte Niklas.
»Außerdem wusste ich nicht, dass du die Kids dabeihattest.«
»Es sollte eine Überraschung werden.«
Oliver schwieg betreten. Dann sagte er: »Eva ist schwanger.«
»Die Parese sagt, die Chancen stehen nicht übel. Jetzt müssen wir nur noch warten, bis der Prozess endlich beginnt.«
»Nik, ich werde Vater.«
Niklas traute sich nicht zu fragen, ob sie auf die Bechermethode vertraut hätten oder ob Oliver nochmal den Hetero gegeben hatte. Aber das war jetzt gleichgültig. Er ging zur Theke und beglich die Rechnung. Pino wollte ihnen einen Ramazotti servieren, aber Niklas lehnte ab.
Das Gewitter war weitergezogen und hatte die Luft gereinigt, aber es regnete noch immer. Niklas fror, als er auf die Straße trat. Nach ein paar Minuten folgte Oliver, der sich eine Zigarette ansteckte.
Niklas wünschte sich, er würde heute Nacht bei ihm bleiben, trotz allem. Aber vielleicht war das keine gute Idee. Zumal das Bett nach Verrat roch.
»Vielleicht ist das eine doofe Idee«, sagte Oliver, »aber wenn du mich fragst, komme ich mit hoch.«
Niklas nahm seine Hand. »Ich kann nicht mehr zwischen guten und schlechten Ideen unterscheiden.«
Während Oliver im Bad war, beeilte sich Niklas die Bettwäsche zu wechseln. Er war schon fast fertig, es fehlte nur noch ein Kissen, als sein Freund in der Tür stand, mit einem seltsam nüchternen Blick.
»Ich fahre besser wieder.«
»Was hast du denn?«
»Ich lasse Eva ungern allein in ihrem Zustand.«
»Und was ist mit mir?«
Im Hinausgehen warf Oliver ihm etwas zu, es klingelte beim Fliegen und schimmerte golden. Niklas machte keine Anstalten, Pinos Kettchen zu fangen.
17 : Achterbahn
Die Sommerferien kamen und gingen, ohne dass das Gericht einen Termin für den Prozessauftakt ansetzte. Niklas stürzte sich in die Arbeit. Morgens war er noch vor den Frauen vom Reinigungsdienst in der Agentur, und die Sonne hatte längst ihren Feierabend angetreten, wenn er mit seinem neuen Freund, dem Mond, ins Bett ging. Mattis versorgte er nun häufiger mit kleineren Jobs als Graphiker. Ansonsten reduzierte sich sein Austausch mit den Kollegen auf das Nötigste; so hatte er Nadja bei seiner Rückkehr aus dem Zwangsurlaub nach ihren Fortschritten mit dem Frauenauto
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