Kindsköpfe: Roman (German Edition)
Ohren nicht. Hatte seine Mutter etwa gerade zu seinen Gunsten ausgesagt?
Nonninger wirkte enttäuscht, aber er ließ sich von der Zeugin nicht beirren. Schließlich hatte er noch einen Trumpf.
»Ist es richtig, dass Sie vor kurzem Kontakt hergestellt haben zwischen Ihrem Sohn und den Kindern – obwohl eine einstweilige Verfügung dies verbietet, wegen der wir hier zusammengekommen sind?«
Der Richter machte große Augen. Frau Tiedemann sank ein wenig auf ihrem Stuhl zusammen.
»Was hätten Sie an meiner Stelle getan? Es war Weihnachten.«
Mit einem triumphierenden Lächeln übergab Nonninger das Wort an seine Kollegin. Doch nun schaltete sich van der Ohe in die Befragung ein.
»Was haben Sie sich dabei nur gedacht?«
Magda Tiedemann zuckte langsam mit den Schultern, hielt aber dem Blick des Richters stand.
»Ist das Leben nicht manchmal unfair? Wenn eine Frau sich ein Kind wünscht, ist es relativ einfach für sie, an … an das zu kommen, was dafür nötig ist. Aber was kann ein … Was hatte mein Sohn für eine Wahl?«
Niklas erkannte seine eigene Mutter nicht wieder. Er suchte eine Erklärung in ihren Augen, doch sie verweigerte den Blickkontakt.
Der Richter, der seiner Zeugin aufmerksam zugehört hatte, beschloss, nicht weiter in sie zu dringen, und überließ sie Tita Parese.
»Ihr Sohn hat uns beim letzten Mal wissen lassen, dass Ihre Tochter ihm das Versprechen abgerungen hat, im Falle ihres Todes die Kinder aufzunehmen. Wissen Sie etwas davon?«
»Nein.«
»Hat sich Ihre Tochter Ihnen gegenüber jemals dazu geäußert?«
»Nein, aber ich wusste, dass sie meine Art, mit den Kindern umzugehen, nicht besonders schätzte.«
»Sie können die Aussage Ihres Sohnes also nicht bezeugen?«
»Leider nicht.«
»Aber eine Verabredung zwischen Ihren Kindern – die können Sie auch nicht ausschließen?«
»Nein, das kann ich nicht.«
Als Tita Parese die Zeugin entließ, entdeckte Niklas etwas Sonderbares im Blick seiner Mutter, etwas, das ihm fremd an ihr vorkam, oder vielleicht war es ihm bislang nur nicht aufgefallen: Scham.
Seine Anwältin rief nun Mattis in den Zeugenstand. Er hatte seine Mähne mit viel Gel in einen absurden Scheitel gezwungen, zeigte sich aber ansonsten von seiner besten Seite. Oliver und Niklas beschrieb er als liebevolle Väter, von denen sich manches Elternpaar ein paar Scheiben abschneiden könnte. Er erzählte von dem engen Verhältnis, das Niklas und Inken bis zu deren Tod verband, und dass er es nur natürlich gefunden hätte, wenn die Kinder bei ihnen geblieben wären. Wie denn überhaupt irgendjemand auf die Idee verfallen könnte, dass zwei erwachsene Männer nicht mit zwei kleinen Kindern fertig würden?
Nonninger wühlte, statt Mattis zu befragen, in dessen Vergangenheit und begnügte sich damit, seine Vorstrafen wegen Urkundenfälschung ans Licht zu zerren. Niklas musste mit ansehen, wie sein alter Freund immer kleiner wurde, und war froh, als der Anwalt ihn endlich aus seinen Klauen entließ.
Dann rief er Petra in den Zeugenstand und kaute mit ihr noch einmal durch, was schon vom ersten Verhandlungstag bekannt war. Erst als Tita Parese zur Befragung schritt, kam wieder Bewegung in die Sache.
»Wie ist das Leben mit Kindern, Frau Bayer?«
»Wunderbar, danke.« Petra lächelte vorsichtig. »Lotte und ich verstehen uns gut, wir entwickeln uns langsam zu besten Freundinnen. Und der Junge liebt es, mich am Sonntag in den Gottesdienst zu begleiten. Er singt immer aus vollem Hals mit.«
»Das würde ich nicht überbewerten, das tut er beim Karneval auch«, platzte Niklas hervor, was ihm einen mahnenden Blick des Richters einhandelte und einen giftig-bösen von Tita Parese. Dann fuhr seine Anwältin liebenswürdig fort.
»Vielleicht ist meine Frage naiv, denn ich selber habe leider keine Kinder, aber … Wäre es nicht eventuell noch ein wenig wunderbarer, wenn die Kinder Ihre eigenen wären, gezeugt mit Ihrem Ehemann?«
Auf vorsichtigem Niveau lächelte Wolframs Frau weiter.
»Wichtig ist doch, dass die Kinder ein richtiges Zuhause haben.«
Tita Parese nickte verständnisvoll. »Wollen Sie uns verraten, warum Sie keine eigenen Kinder haben?«
Nonninger ging dazwischen. »Einspruch, dieses Thema ist sehr privat.«
»Ich bitte Sie, Herr Kollege. Das gilt für alles andere auch, was bislang in diesem Raum besprochen wurde.«
»Stattgegeben.«
»Frau Bayer, warum war Ihre Ehe bislang kinderlos?« Tita Parese sprach sehr behutsam, fast schnurrte sie.
Petra war
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