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Kindsköpfe: Roman (German Edition)

Kindsköpfe: Roman (German Edition)

Titel: Kindsköpfe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kriss Rudolph
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davon erfahren hätte.
    »Kommt darauf an«, sagte der Richter. »Hat er die Geschenke persönlich überbracht?«
    »Nein«, sagte der schwitzende Anwalt. »Er hat sie ihnen durch verschiedene Mittelsmänner zukommen lassen.«
    »Dann ist der Einspruch akzeptiert«, schloss der Richter.
    »Es geht noch weiter.« Nonninger brachte einen Stapel Briefe zum Vorschein, den er Niklas unter die Nase hielt.
    »Haben Sie diese Briefe geschrieben, Herr Tiedemann?«
    »Es steht ja auf dem Absender«, antwortete er gereizt. Offenbar hatte Petra die Post abgefangen. »Und wie man an der Anrede unschwer erkennen kann, sind die Briefe nur für meine Nichte und meinen Neffen bestimmt.«
    »Herr Tiedemann, wir wollen versuchen, uns bei einfachen Fragen auf einfache Antworten wie Ja oder Nein zu beschränken«, wies ihn van der Ohe zurecht.
    Nonninger beugte sich zu Niklas herunter. Sein Schweiß roch nach Triumph. »Würden Sie so freundlich sein, den hier Anwesenden ein Stück aus diesem Brief vorzulesen? Ich habe eine besonders aussagekräftige Stelle darin markiert.«
    »Einspruch, ich wüsste nicht … «, begann Tita Parese, doch Wolframs Anwalt fuhr ihr über den Mund.
    »Ich kann Ihnen versichern, dass ich das nicht zum Spaß mache.«
    »Das will ich hoffen«, sagte der Richter.
    Nervös suchte Niklas den Blickkontakt zu seiner Anwältin, die ratlos ihre großen Hände in die Luft warf. Dann begann er langsam zu lesen.
    »›Ihr müsst noch etwas Geduld haben. Aber Oliver und ich werden Euch bald wieder holen, das verspreche ich Euch. Wir tun alles, was wir können.‹«
    »Danke sehr!« Der fette Anwalt legte den Brief zurück zu den anderen. Dann verschränkte er die Hände hinter seinem Rücken und schlich mit einem selbstgefälligen Lächeln zu Tita Parese.
    »›Wir werden Euch bald holen‹ – dieses Zitat stammt aus einem Brief, der keine vier Wochen alt ist. Gibt es noch irgendwelche Zweifel daran, dass der Beklagte nichts aus seinem Fehlverhalten gelernt hat und der einstweiligen Verfügung zum Trotz weiterhin plant, Charlotte und Hannes Bayer zu entführen?«
    Niklas sprang von seinem Stuhl auf.
    »Meine Schwester hat mich noch im Krankenhaus darum gebeten, dafür zu sorgen, dass die Kinder auf keinen Fall zum Vater kommen. Sie haben ein besseres Leben verdient!«
    »Hat Ihre Schwester ihren letzten Willen schriftlich fixiert?«, fragte Nonninger selbstsicher.
    Nun hielt es auch Tita Parese nicht mehr auf ihrem Platz.
    »Herr Vorsitzender, ich beantrage eine Pause, um mich mit meinem Mandanten zu beraten.«
    Die Augen des Richters waren nur noch ein Paar schmaler Schlitze.
    »Das scheint mir auch vonnöten. Ich schließe die Sitzung für heute.«

18 : Vaterglück
    Niklas wertete es als Zeichen besonderer Grausamkeit des Richters, dass der Prozess erst im neuen Jahr fortgesetzt werden sollte. Nun ging das Warten wieder von vorne los. Die Ungewissheit schwebte über den Festtagen. Zum ersten Mal musste er ohne Oliver feiern, der in Köln bei seiner halbfertigen Familie saß. Immerhin hatte er zugesagt, am zweiten Verhandlungstag als Zeuge aufzutreten; das war er ihm schuldig, fand Niklas.
    Weihnachten erlebte er in diesem Jahr als eine Art verfrühten Fasching, das hätte Oliver gefallen. Am 2. Feiertag, als Wolfram und Petra nach Krefeld zum Krankenbesuch fuhren, saß Niklas als Santa Claus verkleidet auf dem mütterlichen Sofa, zwischen Lotte und Hannes, mit denen er nicht sprechen durfte. Die Tränen liefen ihm die Wangen herab und wurden von seinem weißen Rauschebart aufgesogen, der immer schwerer wurde. Seine Mutter, die sich die Sache ausgedacht hatte, ermahnte ihn, sich zusammenzureißen, und wischte sich verstohlen übers Gesicht.
    Auf der Arbeit war es zum Jahresende etwas ruhiger geworden. Wittenberg verschwand oft für ganze Nachmittage im Büro des Agenturchefs. Fräulein Schwarzkopf wollte gehört haben, dass sie über Wittenbergs Frau sprachen, deren Zustand sich in den vergangenen Wochen rapide verschlechtert hatte, aber auch der Name Tiedemann soll bei den Zusammenkünften der beiden Männer gefallen sein. Niklas bereitete die Aussicht, in naher Zukunft zum Creative Director aufzusteigen, eine gewisse Freude, da ihm schon länger keine brauchbaren Texte mehr einfallen wollten. Aus den Entwürfen, die er pro Tag in den Müll beförderte, hätte man auf Jahre hinaus Konfetti für den Rosenmontagsumzug gewinnen können.
    Zu Beginn des neuen Jahres meldete sich Tita Parese mit einer überraschenden

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