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Kindspech: Tannenbergs achter Fall

Kindspech: Tannenbergs achter Fall

Titel: Kindspech: Tannenbergs achter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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muss ich die Durchflussmenge pro Minute oder Stunde wissen. Sie haben mir doch versprochen, es mir …«
    »Versprochen habe ich Ihnen gar nichts«, würgte ihn die Erpresserstimme ab. »Höchstens angekündigt. Aber nicht schon zum jetzigen Zeitpunkt. Ich habe von ›später‹ gesprochen. Und das ist ein überaus dehnbarer Begriff. Sie müssen besser zuhören. Sagen Sie mal, haben Sie eigentlich keine Blasen an den Füßen? Bei den komischen Schuhen, die Sie zum Joggen tragen.«
    Wieder ein albernes Kichern.
    »Doch, die hab ich«, räumte Tannenberg ein.
    Ein genüssliches Brummen wie bei der Verköstigung einer Delikatesse ertönte. »So richtig schöne, dicke Blutblasen, Hautfetzen und rohes Fleisch?« Der Anrufer wartete wohl eine Reaktion seines Gesprächspartners ab, doch als diese sich nicht umgehend einstellte, schob er nach: »Das müssen doch höllische Schmerzen sein, oder?«
    »Sind es auch«, log der Kriminalbeamte, denn aufgrund der hohen Voltarengaben spürte er lediglich ein leichtes Ziehen an den Fersen. »Aber warum quälen Sie mich eigentlich so?«
    »Weil es mir großen Spaß macht«, antwortete der Entführer, wobei er jedes Wort voller Genugtuung in die Länge zog. »Vor allem dieses andauernde Wechselspiel zwischen Hoffnung und Verzweiflung empfinde ich als psychologisch höchst interessant. Sie müssen wissen, mich faszinieren menschliche Grenzerfahrungen. So wie diejenige, die Emma gerade durchleiden muss. Was fühlt sie wohl, wenn sie sieht, wie die Wassermassen unaufhörlich steigen, immer existenzbedrohlicher für sie werden?«
    »Du bist so eine perverse Drecksau!«, stieß Tannenberg so abrupt und kraftvoll aus, dass weiße Speichelfäden das Handy benetzten.
    Am anderen Ende war es plötzlich still, totenstill.
    »Hallo, hallo, sind Sie noch da?«, rief Tannenberg, von panischen Angstwellen überflutet.
    Weg, der ist weg. Ich Vollidiot! Warum bin ich nur so ausgeflippt? Der hat den Kontakt abgebrochen. Oh Gott, was passiert jetzt mit Emma?
    Erneut klingelte das Handy.
    »Haben Sie sich wieder beruhigt?«
    »Ja, sicher, tut mir leid«, flötete der Kriminalbeamte erleichtert.
    »Schon gut. Ich kann Sie ja verstehen, aber Sie müssen auch mich verstehen: Ich will mit Ihnen spielen, wie eine Katze mit einer gefangenen Maus. Als kleines Entgegenkommen meinerseits erhalten Sie nun die von Ihnen gewünschte Zusatzinformation: Um Ihnen die Rechnerei zu erleichtern, habe ich den Wasserhahn so eingestellt, dass pro Stunde exakt eintausend Liter in Emmas wasserdicht verschlossene Gefängniszelle sprudeln. Wie aus einer Bergquelle.«
    Da hab ich doch zufällig genau richtig gelegen, freute sich Tannenberg im Stillen. Also Zeit bis morgen früh um 6 Uhr.
    »Simon says: Berechne die Uhrzeit …«
    »Hab ich schon: morgen, 9. August«, sprudelte es unkontrolliert aus Tannenbergs Mund heraus. Entsetzt brach er ab. Ach du Scheiße, 6 Uhr stimmt ja gar nicht!, zischte ein greller Erkenntnisblitz durch sein Gehirn. Das Volumen beträgt nicht 15, sondern 15,75 Kubikmeter.
    »Was ist denn los mit Ihnen?«
    »Entschuldigung, ich muss noch mal kurz über die richtige Antwort nachdenken.« Er rechnete im Kopf den Faktor 0,75 Stunden in Minuten um. »Morgen früh um 6 Uhr 45 wäre der Raum vollständig gefüllt.«
    »Schlaues Kerlchen – dann bis später!«
    Gleich darauf wurde die Verbindung unterbrochen.
    »Mann, oh Mann, war das knapp«, stöhnte der Kriminalbeamte. »Das war Rettung quasi in letzter Sekunde.«
     
     
    20 Uhr 30
     
    Dich schickt der Himmel, jubilierte Tannenberg in Gedanken, als er eingangs des Neuhöfertals in einem dichten Fichtenwäldchen unverhofft auf einen Wanderer traf. Der circa sechzigjährige Mann lief ihm in einer engen Wegkehre direkt in die Arme und reagierte so, als begegnete ihm gerade der leibhaftige Teufel, beziehungsweise ein aus einer psychiatrischen Anstalt entlaufener Geisteskranker.
    Mit entgeisterter Miene starrte er seinem Gegenüber erst in das dreckverkrustete, ausgemergelte Gesicht, dann auf dessen verstaubtes Sakko. Doch vollends verblüfft war er, als ausgerechnet dieser verwahrloste Vagabund sich per Dienstausweis als leitender Kriminalbeamter vorstellte und ihn um etwas zu trinken, zu essen und um ein Handy bat.
    Kopfschüttelnd öffnete er seinen Rucksack und reichte ihm eins nach dem anderen. Danach befolgte er brav die ihm erteilte Instruktion, nach der er sich zum Ende des kleinen Zauberwaldes begeben und nach einem potenziellen Verfolger Ausschau

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