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Kindswut

Kindswut

Titel: Kindswut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Senf
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drängten. Die Momente waren für mich nicht einzuschätzen. Sie überfielen mich wie Wurfgeschosse. Philip benutzte mich. Ich ihn. Warum brachte ein Sohn seine Mutter um? Das wollte ich wissen. Verstand ich Philip, kam ich vielleicht mir selbst auf die Spur. Wir belauerten uns gegenseitig in der Todeszone. Wir waren Brüder in der Tat. Ich lachte laut. Die wahre Komik ist das Böse.
    Das Männchen hatte sich wieder aufgerichtet. Es war aschfahl und schwitzte. Es hatte die Unterlagen noch nicht gelesen.
    »Sie sollten sich das Zeug mal anschauen, bevor ich Sie wieder in die Mangel nehme.« Die Drohung wirkte. Er mühte sich hin zum Tisch. Er blieb stehen, stöhnte und griff sich an den Latz. »Wird’s bald!« Ich hatte mich in eine Sau verwandelt. Ich wusste nicht, woher diese Lust kam, ihn fertigzumachen. Ich ging auf ihn zu und knackte dabei mit den Fingern. Erschrocken machte er sich über die Unterlagen her. Dabei griff er sich immer wieder zwischen die Beine und wimmerte leise. Nach ein paar Minuten war er mit der Lektüre fertig. Er wandte sich mir zu. Seine Arme hingen schlaff herunter, eine Hand hielt die Papiere. Er schaute mich an mit schmalen Lippen.
    »Die Präparierung, was war das?«
    Er raschelte leise mit den Papieren in seiner Hand.
    »Präparierung?« Er glotzte mich an wie ein Frosch, der seinem Präparator geradewegs in die Augen schaute, bevor der ihm die Haut abzog. Er machte wieder einen auf wortkarg.
    »Freundchen, ich kann noch ganz anders.« Er wich erschrocken zurück. »Alterssex verbunden mit Herzinsuffizienz«, lispelte er. Er stieß dabei heftig mit der Zunge an, weil er sehr schnell sprach. Er wollte nicht wieder an den Eiern oder sonst wo gepackt werden. »Eine Kategorie unter vielen.« Er war fast gesprächig.
    »Kategorie?«
    Er schlenkerte mit den Beinen, als wollte er sich die ramponierten Eier ausschütteln. Vorsichtig zog er die Hose hoch. Vielleicht brauchte er zur Stütze seiner ramponierten Eier einen Sackhalter. Der Hosenboden hielt die Chose zusammen.
    »Setzen Sie sich doch.«
    »Ich bleibe lieber stehen.« Mit Omelett in der Hose wäre ich auch lieber stehen geblieben. Es machte mir nichts aus, ihn derart malträtiert zu haben. Ich hatte Lust auf mehr. Ich gab meinem Drang nach und hielt dem Männlein einen Vortrag:
    »Wenn nötig, lange ich wieder zu. Ich ziehe Sie an einem Kronleuchter hoch, bei heruntergelassener Hose, und senge Ihnen mit einer brennenden Zigarre die Haare von den Beinen und dem Gemächt. Es riecht dabei intensiv nach Gänsebraten. Eine hübsche Zigarrenschatulle mit allem Zubehör haben Sie da auf dem Rauchtischchen stehen. Der silberne Zigarrenschneider hier ist bestimmt auch vielfältig verwendbar.« Ich nahm das massive Gerät, es lag gut in der Hand, und spielte damit vor seinem Gesicht herum. Es klang hell und spitz, richtig gemein, wenn ich damit schnipste. »Der kleine Finger passt locker hinein. Soll ich? Die Nasenspitze? Knips! Weg ist sie! Die langen, spitzen Kienspäne hier zum Anzünden der Zigarre lassen sich gut in die Haut bohren.« Ich piekste ihn mit einem Kienspan. Er schaute mich verloren an. Hinter den schwarzen Pupillen war gähnende Leere. »Ich spicke Sie mit den Spänen wie einen Igel und zünde sie an. Lustige Feuerchen werden niederbrennen, hundertfach flackern und Ihr Fleisch anschmoren. Der angenehme Duft von Harz vermischt sich mit dem von Grillfleisch.« Ich hatte einen Span angezündet. Er brannte lichterloh. Ich hielt ihm den Span an die Lippen. Mit einem leisen Schrei zuckte er zurück. Ich löschte den Span mit den Fingerspitzen. Es tat weh. »Welcher Span ist als Erster abgebrannt? Welcher zuletzt? Diese Frage ist die spannendste. Überleben Sie den letzten Span? Und wenn nicht, wie viele brennen noch nach Ihrem Ende? Sie zappeln vor Schmerz wie ein Kaninchen nach dem Schlag ins Genick. Das Zappeln wird immer schwächer. Ein Zucken nur noch. Sie pissen sich in die Hose. Aus. Ex.«
    Er reagierte nicht sonderlich. Irgendwie ergeben. Nach dem Motto: Bringen wir es hinter uns. Er wusste nicht, was ihm bevorstand. Er hielt alles für möglich. Er war selber eine kleine Drecksau ohne Skrupel. Fliehen ging nicht. Sich wehren war nutzlos. Er ergab sich in sein Schicksal. Er tat mir nicht leid. Ich wusste jetzt, wie ein Mensch aussah, der gequält wurde und dem weitere Qualen bevorstanden. Es gab für ihn kein Entrinnen.
    Fliegen mit einer Fliegenklatsche an der Wand platt klopfen war nicht anders. Das Resultat waren

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