King City: Stadt des Verbrechens (German Edition)
unbeugsam.
»Noch nicht«, erwiderte der Chief. »Ich starte eine neue Polizeiinitiative, in der ich in einigen unserer Problembezirke kleine Wachen einrichte, die mit uniformierten Beamten besetzt sind. Sie werden in einer davon arbeiten.«
»Sie degradieren mich«, sagte Wade.
»Zum Teufel, nein, so was würde ich nie tun«, erwiderte der Chief. »Am Ende empfinden Sie das noch als billige Rache und reichen Klage ein.«
»Was ist es sonst?«
»Eine Versetzung. Sie behalten Ihren Rang, Ihr Gehalt und alle anderen Ansprüche, die Sie jetzt auch haben.« Der Chief griff nach zwei Akten, die neben ihm auf dem Picknicktisch lagen, und gab sie Wade. »Sie werden zwei Officer unter ihrem Kommando haben, und wir lassen Sie völlig in Ruhe.«
Mit anderen Worten bedeutete das, er würde keine Unterstützung bekommen, keine Hilfe, und sein Dasein zukünftig in einer Art vorstädtischem Sibirien fristen.
»Wo ist die Wache?«
Der Chief lächelte. »In Darwin Gardens.«
Wade kannte die Gegend. Jeder Cop tat das.
Sie lag vier Meilen von der Stelle entfernt, wo Wade gerade stand, fünfzig Meilen von dem See, wo er aufgewachsen war, und Lichtjahre von jedem Ort, wo sich ein halbwegs vernunftbegabter Mensch freiwillig aufhalten würde.
Es handelte sich um das frühere Industrieviertel von King City, das im Osten an die verfallenen Fabriken und alten Docks am Fluss grenzte, im Süden an eine Art Berliner Mauer aus verwahrlosten Wohnblocks und im Westen an verrottende Eisenbahnbetriebshöfe und den Freeway.
Darwin Gardens hatte die höchste Mordrate der Stadt, aber das war ein schmutziges kleines Geheimnis, dass der Chief, der Polizeipräsident und die Handelskammer für sich behielten und dafür sorgten, dass es nicht in den offiziellen Statistiken auftauchte.
Die Gegend wurde von kriminellen Banden beherrscht, die praktisch straflos tun und lassen konnten, was sie wollten. Wenn Polizisten sich in das Viertel verirrten, benutzte man sie als lebende Zielscheiben. Und von denen, die dort wohnten, überlebten nur die Stärksten. So war die Gegend auch zu ihrem Spitznamen gekommen – Darwin Gardens.
Die Stadtväter ignorierten die Probleme, denn es würde viel zu viel Blut und Geld kosten, um einen Stadtteil zu sanieren, der ohnehin keine Rolle spielte, denn dort lebten nicht die Leute, diewählten, die meisten Steuern zahlten und Wahlkampfkampagnen finanzierten.
Die hatten erst begonnen, sich Sorgen wegen Darwin Gardens zu machen, als die Kriminalität bis nach Abbott Park, Meston Heights oder den protzigen Läden am McEveety Way geschwappt war.
Wade musterte das breite Grinsen des Chiefs. »Seit wann interessieren Sie sich für Darwin Gardens?«
»Seit ich nach einem Dreckloch suche, in das ich Sie stecken kann«, erwiderte der Chief.
DREI
Seine Uniform hatte Wade das letzte Mal vor ein paar Jahren bei einem Polizeibegräbnis getragen. Zwei Anfänger hatten einen gestohlenen Wagen bis in eine Sackgasse in Darwin Gardens verfolgt und waren dort direkt in einen Hinterhalt geraten. Mehr als zweihundert Kugeln hatte man aus ihrem Auto und ihren nicht mehr zu identifizierenden Körpern gezogen.
Die Polizei hatte sofort eine groß angelegte Razzia durchgeführt und jeden verhaftet, der nicht einigermaßen solide aussehen hatte und weiß gewesen war. Damit war die Sache erledigt gewesen, und seitdem war alles wieder wie zuvor.
An diesem Tag war Wade nicht auf dem Weg zu einer Beerdigung, obwohl man das in den Augen von Chief Reardon und aller anderen im Hauptquartier durchaus so auslegen konnte. Seine Aufstiegschancen bei der Polizei hatten ein abruptes Ende gefunden. Man wollte erreichen, dass er, jedes Mal, wenn er wieder die Uniform anzog, seiner verpatzten Karriere nachtrauerte.
Doch so sah Wade die Dinge nicht, selbst nicht in diesem Moment, als er sich in einem Hotelzimmer für fünfzig Dollar die Nacht umzog, während er die meisten seiner Habseligkeiten in einem Lagerraum auf der anderen Seite der Straße, der mit einem Vorhängeschloss gesichert war, verstaut hatte.
Wieder die blaue Uniform zu tragen, die Marke auf seiner Brust zu sehen, brachte ihm eine gewisse Kraft zurück. Doch hätte man ihn gefragt, was genau für ein Gefühl das war, hätte er es wahrscheinlich nicht in Worte fassen können. Sprachgewandtheithatte noch nie zu seinen Talenten gehört. Für ihn fühlte es sich nur einfach richtig an. So richtig, wie es nur wenige Dinge zuvor in seinem Leben getan hatten.
Wenn der Chief glaubte, dass
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