Kings of Cool: Roman (German Edition)
rasen.
Sie überlegt, ob sie sich umdrehen und zurückgehen soll.
Dann winkt sie der Zollbeamte zu sich.
91
Der Doc hängt den Hörer des öffentlichen Telefons in der Ocean Avenue auf die Gabel und geht zurück in den Marine Room.
John sitzt an der Bar, hält sich an einem Bier fest und guckt träge Baseball im Fernsehen.
»Sie steht in der Schlange«, sagt der Doc.
Sein Tonfall ist cool, aber John merkt, dass der Doc nervös ist.
92
Stan und Diane sitzen in ihrem kleinen Wohnzimmer.
Sie lesen.
Er Updike, sie Cheever.
Sie blickt von ihrem Buch auf und sagt:
»Ich hab mit John McAlister geschlafen.«
93
Der Zollbeamte bittet Kim, ihre Tasche auf den Tisch zu stellen und zu öffnen.
Er beobachtet sie dabei.
Und sieht
nichts.
Das Mädchen ist vollkommen ruhig.
Unbekümmert.
Reserviert, gleichgültig.
Er guckt in die Tasche und sieht
Damenbinden, die ihr der Doc gegeben und geraten hat, ganz obendrauf zu legen.
Kim sieht den Zollbeamten kühl an, als wollte sie sagen
Hey, Sie wollten, dass ich die Tasche aufmache.
Er gibt ihr die Tasche zurück und heißt sie herzlich willkommen in den Vereinigten Staaten.
Sie überquert die Brücke.
94
Kim kommt in den Laden und fragt, ob sie die Charles Jourdans anprobieren darf.
Die Verkäuferin mustert das Mädchen in der rosa Kellnerinnenuniform und ist sicher, dass sie ihre Zeit verschwenden wird, aber etwas in Kims Augen bringt sie dazu, ihr doch ein Paar in Größe 36 zu holen.
Dann probiert Kim auch noch die 35 und die 37, nur um sicherzugehen. Aber die 36 passt
perfekt
und Kim sagt, dass sie sie nimmt.
Die Verkäuferin trägt die Schuhe an die Kasse und fragt nach der Kreditkarte.
Kim zahlt bar.
So wahr Gott mein Zeuge ist, ich werde nie wieder Hunger leiden.
95
Tía Anna zieht sie an.
Denn eins steht fest.
Das Mädchen ist schön.
Nein, nicht schön –
Von erlesener Schönheit.
96
Eine Woche lang sagt Stan nichts zu Dianes Geständnis.
Er ist schlau und weiß, dass er sich am besten an ihr rächt, wenn er sich gleichgültig gibt, dass es die härteste Strafe ist und ihr am meisten weh tut, wenn er sie glauben lässt, ihre Untreue sei
nicht mal der Rede wert, und außerdem
weiß er sowieso nicht, was er sagen soll, da er ja längst zugegeben hat, dass es ihn angemacht hat, als sie John geküsst hat und auch, weil er sich in Wirklichkeit
fürchtet, darüber zu sprechen.
Er hat Angst, dass die Auseinandersetzung
einen Flächenbrand auslöst
der damit endet, dass er die Scheidung verlangen muss
(Was, wenn sie sich nicht entschuldigt? Was, wenn sie sagt, dass sie's wieder tun wird mit John? Mit anderen Männern? Was, wenn sie eine »offene Beziehung« fordert?)
und das will er nicht.
Deshalb tut Stan so, als sei sein Schweigen eine Strafe, und Diane tut so, als würde sie ihm das glauben, obwohl sie ziemlich sicher ist, dass er Angst hat, was ihre
Verachtung nur noch steigert und ihre Scham mindert.
Nicht unbedingt darüber, dass sie ihren Ehemann betrogen, sondern dass sie sich John an den Hals geworfen hat, was dieser scheinbar für keine große Sache hielt.
Sie haben es gemacht und es war ganz schön, gut sogar, aber nichts Besonderes, und hinterher ist er aufgestanden und hat sich ein Bier geholt und ihr auch eins angeboten (sie hat abgelehnt).
Er hat nicht gefragt: Und jetzt? , und sie ist einfach nach Hause gegangen, hat ihn von sich abgewaschen und kam um die Wahrheit nicht herum, dass sie Stan für
nichts
und wieder nichts
betrogen hatte.
Und jetzt wollte Stan sie mit seinem Schweigen bestrafen, was dumm war, weil er nicht kapierte, dass sie's vor allem deshalb gemacht hatte,
damit sie wieder etwas
zum Reden hatten.
Stattdessen haben sie sich im Schweigen eingerichtet.
In der unausgesprochenen Übereinkunft, so zu tun als ob, und
Diane glaubt allmählich, dass es vielleicht zu den Notwendigkeiten einer Ehe gehört, dass sich Narben auf den Wunden bilden, damit beide unempfindlich werden.
Sie haben geschwiegen
bis heute Abend
bis Stan seinen Updike weglegt, aufsteht und sagt, dass er in den Laden geht, um
Inventur zu machen.
97
Kim bleibt draußen im Eingangsbereich der Wohltätigkeitsparty stehen und erlebt einen
Augenblick des Selbstzweifels.
Die Frauen sind so elegant, so wunderschön zurechtgemacht, so selbstbewusst in ihrem Reichtum und ihrer Schönheit. Die Männer geben sich lässig und sehen gut aus, toll gekleidet. Ihr
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