Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren
sie.
»Ja, ich habe ein Büro in der Stadt«, erwiderte ich und zog automatisch meinen Ausweis hervor. Ich hielt ihn ihr zum Lesen hin. Sie warf einen Blick darauf, akzeptierte ihn offenbar ohne viel Argwohn oder Besorgnis. Mich erstaunt es immer, wenn Leute mir vertrauen. »Man sagte mir, daß Sie mal mit Laurence Fife verheiratet waren«, wagte ich mich vor.
»Ja, stimmt. Geht es um ihn? Er ist schon Jahre tot.«
»Ich weiß. Sein Fall wird noch mal aufgerollt.«
»Ach, das ist aber interessant. Von wem denn?«
»Von Nikki«, sagte ich. »Das Morddezernat weiß, daß ich die Sache untersuche, und ich habe deren Unterstützung, falls Sie das beruhigt. Könnten Sie mir einige Fragen beantworten?«
»Na schön«, sagte sie. Ihr Ton war vorsichtig, aber es schwang auch Interesse mit, als ob sie die Ermittlungen zwar merkwürdig fände, aber nicht unbedingt schlecht.
»Sie klingen nicht allzu überrascht«, sagte ich.
»Bin ich trotzdem. Ich dachte, die Geschichte wäre erledigt.«
»Tja, ich fange gerade erst mit der Überprüfung an, und es kann sein, daß ich eine Niete ziehe. Wir müssen uns nicht hier unterhalten, wenn es Ihnen ungelegen kommt. Ich möchte Sie nicht bei der Arbeit stören.«
»Geht schon in Ordnung, solange es Ihnen nichts ausmacht, mir zuzusehen, wie ich ein paar Hunde trimme. Ich kann mir jetzt wirklich keine Pause erlauben. Es ist voll heute. Momentchen«, sagte sie. »Kathy, gibst du mir mal das Flohspray? Ich glaub, hier sind uns einige entgangen.«
Die dunkelhaarige Pflegerin ließ den Pudel lange genug los, um nach dem Flohspray zu greifen, und gab es an Gwen weiter. »Das ist Kathy, wie Sie wohl mitgekriegt haben«, sagte Gwen. »Die da bis zu den Ellbogen in Seifenlauge steckt, ist Jan.«
Gwen begann Wuffel einzusprühen, dabei wandte sie den Kopf ab, um die Dämpfe nicht einzuatmen. »Entschuldigung. Fangen Sie an.«
»Wie lange waren Sie mit Fife verheiratet?«
»Dreizehn Jahre. Wir lernten uns auf dem College kennen, in seinem dritten und meinem ersten Jahr. Ich hatte ihn rund sechs Monate gekannt, glaube ich.«
»Gute Jahre? Schlechte Jahre?«
»Na ja, ich seh’s inzwischen etwas heiterer«, sagte sie. »Erst hab ich das Ganze für vertane Zeit gehalten, aber jetzt weiß ich nicht. Haben Sie Laurence selbst gekannt?«
»Ich traf ihn einige Male«, sagte ich, »nur flüchtig.«
Gwens Blick war sarkastisch. »Er konnte sehr charmant sein, wenn er wollte, aber im Innersten war er ein echter Schweinehund.«
Kathy sah zu Gwen hinüber und lächelte. Gwen lachte. »Die zwei da haben meine Version schon an die hundert Male gehört«, sagte sie zur Erklärung. »Sie waren beide noch nie verheiratet, also spiele ich gern den Teufelsadvokaten. Jedenfalls, damals war ich ganz die pflichtbewußte Gattin, das heißt, ich habe die Rolle mit einer Hingabe gespielt, die ihresgleichen sucht. Ich kochte vornehme Mahlzeiten. Ich schrieb Einkaufslisten. Ich putzte das Haus. Ich zog die Kinder auf. Womit ich nicht sagen will, ich wäre irgendein Sonderfall, nur nahm ich’s mir furchtbar zu Herzen. Ich steckte meine Haare auf, jede Nadel am rechten Platz, und ich hatte für alles die passenden Sachen zum An- und Ausziehen, fast wie eine Barbie-Puppe.« Sie unterbrach sich und lachte über ihr Selbstporträt, tat so, als zöge sie an einer Schnur in ihrem Nacken. »Hallo, ich bin Gwen. Ich bin eine gute Frau«, plapperte sie mit näselnder Papageienstimme. Ihre Art zu erzählen war ziemlich gefühlvoll, so als wäre sie anstatt Laurence gestorben, aber lieben Freunden noch in zärtlicher Erinnerung. Mal sah sie mich an, mal kämmte und trimmte sie den Hund, den sie vor sich auf dem Tisch hatte, aber auf jeden Fall war ihre Haltung freundlich — kaum der bittere, distanzierte Bericht, den ich erwartet hatte.
»Als es vorbei war, war ich ganz schön sauer — weniger über ihn als über mich selbst, weil ich mich auf den ganzen Schwindel eingelassen hatte. Ich meine, verstehen Sie mich nicht falsch. Es gefiel mir damals und paßte mir großartig, aber da lief auch eine Art Wahrnehmungsentzug ab, so daß ich, als die Ehe in die Brüche ging, überhaupt nicht für den Umgang mit der Realität gerüstet war. Er verwaltete das Geld. Er hielt die Fäden in der Hand. Er traf die wichtigen Entscheidungen, besonders was die Kinder anging. Ich badete sie, zog sie an, kochte für sie, und er gestaltete ihr Leben. Damals begriff ich das nicht, weil ich nur herumlief und mir Mühe gab, ihm alles
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