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Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren

Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren

Titel: Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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Ich hatte Angst, sie würde eine verschlucken.
    »Ja?«
    »Mrs. Glass?«
    »Ganz recht.«
    »Mein Name ist Kinsey Millhone. Ich bin Privatdetektivin. Ich arbeite oben in Santa Teresa. Könnte ich Sie mal sprechen?«
    Sie nahm die Stecknadeln eine nach der anderen aus dem Mund und steckte sie auf ein Nadelkissen, das sie am Handgelenk trug wie ein stachliges Armband. Ich reichte ihr meinen Ausweis, und sie studierte ihn sorgfältig, drehte ihn sogar um, als könnte auf der Rückseite ein verfänglicher kleingedruckter Zusatz stehen. Während sie das tat, studierte ich sie. Sie war Anfang Fünfzig. Ihr seidiges, braunes Haar war kurz geschnitten, und einige Strähnen waren nachlässig hinter die Ohren geklemmt. Braune Augen, kein Make-up, nackte Beine. Sie trug einen Wickelrock aus Drillich, eine verwaschene Madrasbluse in verlaufenen Blautönen und die Sorte Baumwollslipper, die ich in Zellophan verpackt in Lebensmittelläden gesehen habe.
    »Es geht um Elizabeth«, sagte sie, als sie mir schließlich den Ausweis zurückgab.
    »Ja. Stimmt.«
    Sie zögerte und trat dann zurück ins Wohnzimmer, um mich einzulassen. Ich lavierte mich durch den Raum und nahm Platz auf dem einzigen Sessel, der nicht von Stoffteilen oder Schnittmustern bedeckt war. Das Bügelbrett stand nahe dem Panoramafenster, das Eisen war eingeschaltet und tickte beim Heißwerden. Fertige Kleider hingen auf einem Gestell bei der Nähmaschine an der hinteren Wand. Die Luft roch nach Wäschestärke und heißem Metall.
    Im Türbogen zum Eßzimmer saß ein untersetzter Mann in den Sechzigern auf einem Rollstuhl, sein Gesicht war ausdruckslos, die Hose vorn aufgeknöpft, überwölbt von einem dicken Bauch. Sie durchquerte das Zimmer und drehte seinen Stuhl um, so daß er auf den Fernseher blickte. Sie setzte ihm den Kopfhörer auf, dann stöpselte sie den Fernseher ein und schaltete ihn an. Er sah ein Unterhaltungsspiel, ob es ihm paßte oder nicht. Ein Pärchen war als Junghenne und Hähnchen kostümiert, aber ich konnte nicht beurteilen, wie sie im Rennen lagen.
    »Ich bin Grace«, sagte sie. »Das ist ihr Vater. Er hatte im Frühling vor drei Jahren einen Autounfall. Er spricht nicht, aber er kann hören, und jedes Wort über Elizabeth regt ihn auf. Nehmen Sie sich Kaffee, wenn Sie möchten.«
    Auf dem Couchtisch stand eine Keramik-Kaffeemaschine, angeschlossen an eine Verlängerungsschnur, die unter der Couch durchlief. Es sah aus, als würden alle anderen Geräte in dem Zimmer aus der gleichen Stromquelle gespeist. Grace ließ sich auf die Knie hinunter. Sie hatte rund vier Meter dunkelgrüne Seide auf dem Hartholzboden ausgebreitet und war dabei, ein vorgezeichnetes Muster abzustecken. Sie hielt mir eine aufgeschlagene Illustrierte hin, in der ein Modellkleid mit langem Seitenschlitz und engen Ärmeln abgebildet war. Ich goß mir eine Tasse Kaffee ein und sah ihr bei der Arbeit zu.
    »Ich näh das gerade für eine Frau, die mit einem Fernsehstar verheiratet ist«, sagte sie freundlich. »Spielt den Busenfreund von irgendwem. Er ist über Nacht berühmt geworden, und sie sagt, er wird sogar in der Wagenwaschanlage erkannt. Die Leute wollen sein Autogramm. Kriegt Gesichtsmassagen. Er, nicht sie. Er war die letzten fünfzehn Jahre arm, habe ich gehört, und jetzt gehen sie auf diese ganzen Parties in Bel Air. Ich mache ihre Kleider. Er kauft seine am Rodeo Drive. Könnte sie auch, bei dem Geld, das er verdient, aber sie sagt, da fühlt sie sich unsicher. Sie ist viel netter als er. Im Hollywood Reporter, >Wer trifft Wen<, habe ich schon gelesen, daß er sich mit jemand anders >Steaks bei Stellini reinzieht<. Wenn Sie mich fragen, sie täte gut daran, sich eine teure Garderobe zusammenzustellen, bevor er sie verläßt.«
    Grace schien mit sich selbst zu reden; sie klang abwesend, hin und wieder erwärmte ein Lächeln ihr Gesicht. Sie nahm eine Zickzackschere und begann an dem geraden Saum entlangzuschneiden, wobei die Schere auf dem Holzfußboden ein knirschendes Geräusch verursachte. Die Arbeit hatte etwas Hypnotisches an sich, es schien kein Zwang zum Gespräch zu bestehen. Der Fernseher flimmerte, und aus dem Winkel sah ich das Hühnermädchen auf und ab hüpfen, die Hände vor ihrem Gesicht. Ich merkte, wie das Publikum sie drängte, etwas zu tun — ein Kästchen zu wählen, weiterzureichen, einzulösen, sich zu holen, was hinter dem Vorhang war, den Umschlag zurückzugeben, und all das lief geräuschlos ab, während Libbys Vater von seinem Rollstuhl

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