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Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren

Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren

Titel: Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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lächelte. »Sind Sie schon gelaufen?«
    »Nein, aber ich bin auf dem Weg dahin«, sagte ich, wieder aufspringend. Ich überquerte den Rasen und blickte mich grinsend nach ihm um. Er war damit beschäftigt, Sonnenöl auf seine Knie aufzutragen, die bereits einen prächtigen Karamelton hatten. Ich fragte mich, wieviel es eigentlich ausmachte, daß wir fünfzig Jahre auseinanderlagen. Aber andererseits hatte ich über Charlie Scorsoni nachzudenken. Ich zog mich um und absolvierte meinen Lauf. Und dachte über ihn nach.

    Am Montagmorgen stattete ich Con Dolan im Morddezernat einen Besuch ab. Er telefonierte gerade, als ich hinkam, also setzte ich mich vor seinen Schreibtisch. Er saß zurückgekippt auf seinem Stuhl, die Füße gegen die Schreibtischkante gestemmt, den Hörer locker hinterm Ohr. Er sagte dauernd »m-hm, m-hm, m-hm« und sah gelangweilt aus. Er musterte mich sorgfältig, nahm jede Einzelheit meines Gesichtes in sich auf, als würde er mich noch mal neu in seinem Gedächtnis speichern, mich durch eine Verbrecherdatei laufen lassen und nach dem Gegenstück suchen. Ich erwiderte sein Starren. Mitunter konnte ich den jungen Mann in seinem Gesicht erkennen, das jetzt eingefallen und verbraucht war — Säcke unter den Augen, gelichtetes Haar, aufweichende Wangen, als ob das Fleisch um die Kinnpartie anfinge, sich zu erwärmen und zu schmelzen. Die Haut an seinem Hals war zu einer Reihe feiner geröteter Falten geprägt, die sich über seinem gestärkten Hemdkragen leicht stauten. Ich spüre eine Verwandtschaft mit Widerhaken zu ihm, die ich nie ganz erklären kann. Er ist hart, gefühllos, distanziert, berechnend, grob. Ich habe gehört, er soll auch link sein, aber was ich bei ihm sehe, ist die überragende Kompetenz. Er versteht sein Geschäft und läßt sich nicht verschaukeln, und ungeachtet dessen, daß er mir das Leben schwermacht, wo er nur kann, weiß ich doch, daß er mich, wenn auch widerstrebend, mag. Ich sah, daß seine Aufmerksamkeit anstieg. Er konzentrierte sich auf das, was ihm gesagt wurde, und es brachte ihn auf die Palme.
    »In Ordnung, jetzt hör mir mal zu, Mitch, denn ich hab alles gesagt, was ich zu sagen gedenke. Wir haben die Sache fast im Kasten, und ich möchte nicht, daß ihr mir meinen Fall vermurkst. Jaha, das weiß ich. Ja, das sagtest du schon. Ich will nur Klarheit zwischen uns. Ich hab deinem Knaben alle Chancen gegeben, die er von mir kriegt, also entweder zieht er mit, oder wir stecken ihn wieder dahin, wo er herkommt. Jaha, dann sprich eben noch mal mit ihm!«
    Con ließ den Hörer von oben heruntersausen, knallte ihn zwar nicht direkt auf, setzte aber einen deutlichen Schlußakkord. Er war fertig. Durch einen Nebel von Gereiztheit blickte er mich an. Ich legte den braunen Umschlag auf seinen Schreibtisch. Er stellte seine Füße auf den Boden.
    »Was ist das?« sagte er barsch. Er lugte durch die Klappe und holte den Brief heraus, den ich unter den Habseligkeiten von Libby Glass gefunden hatte. Obwohl er nicht wußte, was es war, hielt er ihn an den Rändern fest, während seine Augen den Inhalt überflogen, und ging ihn dann aufmerksam noch einmal durch. Er warf mir einen scharfen Blick zu. Er steckte ihn zurück in den Umschlag.
    »Wo haben Sie den her?«
    »Die Mutter von Libby Glass bewahrt noch ihre ganzen Sachen auf. Er lag in einem Taschenbuch. Ich habe ihn am Freitag geholt. Können Sie ihn auf Fingerabdrücke untersuchen lassen?«
    Der Blick, den er mir zuwarf, war kalt. »Warum reden wir nicht erst mal über Sharon Napier?«
    Ich bekam einen Schreck, aber ich zögerte nicht. »Sie ist tot«, sagte ich, indem ich nach dem Umschlag griff. Er schlug mit der Faust drauf, und ich zog meine Hand zurück. Unsere Augen verbissen sich ineinander. »Ein Bekannter aus Vegas hat’s mir erzählt«, sagte ich. »Daher wußte ich es.«
    »Blödsinn. Sie sind da hingefahren.«
    »Falsch.«
    »Zum Donnerwetter, lügen Sie mich nicht an«, schnappte er.
    Ich spürte, wie ich in Rage geriet. »Wollen Sie mir meine Rechte vorlesen, Lieutenant Dolan? Wollen Sie mir eine amtliche Erklärung vorlegen, daß Sie mich über meine verfassungsmäßigen Rechte belehrt haben? Die lese und unterschreibe ich nämlich, wenn Sie möchten. Und dann rufe ich meinen Anwalt an, und wenn er hier ist, können wir plaudern. Was halten Sie davon?«
    »Sie sind jetzt zwei Wochen an der Geschichte dran, und es gibt eine Tote. Wenn Sie mich reinlegen, krieg ich Sie am Arsch. Jetzt reden Sie offen mit mir.

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