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Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren

Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren

Titel: Kinsey Millhone 01 - Nichts zu verlieren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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den Kopf.
    Ich ging die zwei Blocks bis zu Charlies Büro zu Fuß. Ruth tippte nach einem Diktiergerät, ihre Finger glitten leicht über die Tasten. Sie war sehr schnell.
    »Ist er da?«
    Sie lächelte und nickte mich nach hinten, ohne ein Wort zu verpassen, mit nach innen gerichtetem Blick, während sie Gehörtes ohne zeitliche Verzögerung in Schrift übertrug.
    Ich steckte meinen Kopf in das Büro. Er saß an seinem Schreibtisch, hatte das Jackett abgelegt, ein Gesetzbuch offen vor sich. Beigefarbenes Hemd, dunkelbraune Weste. Als er mich sah, bildete sich ein langsames Lächeln, und er lehnte sich zurück, wobei er einen Arm über die Rückenlehne des Drehstuhls legte. Er warf den Bleistift auf seinen Schreibtisch.
    »Bist du zum Abendessen frei?« sagte ich.
    »Was liegt an?«
    »Nichts liegt an. Es ist ein Vorschlag«, sagte ich.
    »Viertel nach sechs.«
    »Ich komme wieder«, sagte ich und dachte, als ich die Bürotür schloß, immer noch an dieses helle Hemd und die dunkelbraune Weste. Das war sexy. Ein Mann in einer Nylonbadehose, mit diesem kleinen vorstehenden Knubbel vorne, ist nicht halb so interessant wie ein Mann in einem gutgeschnittenen Straßenanzug. Charlies Aufmachung erinnerte mich an ein Erdnußbuttertörtchen, das angebissen war, und ich wollte den Rest haben.

    Ich fuhr hinaus zu Nikkis Strandhaus.

22

    Nikki öffnete die Tür in einem alten grauen Sweatshirt und verwaschenen Jeans. Sie war barfuß, mit offenen Haaren, einen Pinsel in der einen Hand, ihre Finger bekleckert in der Farbe von Pekannußschalen.
    »O hallo, Kinsey. Kommen Sie rein«, sagte sie. Schon war sie unterwegs zur Terrasse, und ich folgte ihr durch das Haus. Auf der anderen Seite der gläsernen Schiebetür konnte ich Colin sehen; ohne Hemd, in einer Latzhose, saß er mit gekreuzten Beinen vor einer Kommode, die sie beide offenbar gerade aufpolierten. Die herausgezogenen Schubladen lehnten aufrecht an der Wand, alle Metallteile waren abgeschraubt. Die Luft roch nach Abbeizmittel und Terpentin, was sich gar nicht übel mit dem Geruch von Eukalyptusrinde vermischte. Mehrere Bögen feines Sandpapier waren zusammengefaltet und beiseite geworfen, in den Falten ausgebleicht von Holzstaub, sie sahen weich aus vom vielen Gebrauch. Die Sonne schien heiß auf das Geländer, und unter der Kommode waren Zeitungen ausgebreitet, um die Terrasse zu schützen.
    Colin blickte zu mir hoch und lächelte, als ich nach draußen kam. Seine Nase und die Wangen waren leicht gerötet von Sonnenbrand, seine Augen grün wie Meerwasser, die nackten Arme rosig; da war noch nicht einmal ein Hauch von Gesichtsbehaarung. Er ging wieder an seine Arbeit.
    »Ich möchte Colin etwas fragen, aber ich dachte, zuerst probier ich’s mal mit Ihnen«, sagte ich zu Nikki.
    »Klar, schießen Sie los«, erwiderte sie. Ich lehnte mich gegen das Geländer, während sie die Spitze ihres Pinsels wieder in eine kleine Dose mit Beize tauchte und den Überschuß entlang dem Rand abstrich. Colin schien sich mehr für das Anstreichen als für unser Gespräch zu interessieren. Ich nahm an, daß es doch etwas anstrengend war, einer Unterhaltung zu folgen, auch wenn er gut Lippen lesen konnte, oder vielleicht fand er Erwachsene einfach langweilig.
    »Können Sie sich spontan erinnern, ob Sie in den letzten vier bis sechs Monaten, bevor Laurence starb, mal länger auswärts gewesen sind?«
    Nikki sah mich überrascht an und blinzelte; offenbar hatte sie damit nicht gerechnet. »Einmal war ich für eine Woche weg. Mein Vater hatte damals im Juni einen Herzanfall, und ich flog zu ihm nach Connecticut«, sagte sie. Dann hielt sie inne und schüttelte den Kopf. »Das war das einzige Mal, denke ich. Worauf wollen Sie hinaus?«
    »Ich bin mir nicht sicher. Ich meine, es wird Ihnen weit hergeholt Vorkommen, aber mir läßt es keine Ruhe, daß Colin Gwen als >Papas Mutter< bezeichnet hat. Ist er darauf noch mal zu sprechen gekommen?«
    »Nein. Mit keinem Wort.«
    »Tja, ich frage mich eben, ob er Gwen nicht bei irgendeiner Gelegenheit gesehen hat, während Sie fort waren. Er ist zu gescheit, um sie mit seiner Großmutter durcheinanderzubringen, es sei denn, jemand hätte sie ihm als solche vorgestellt.«
    Nikki gab mir einen skeptischen Blick. »Mann, das geht aber wirklich sehr weit. Er könnte höchstens dreieinhalb gewesen sein.«
    »Ja, ich weiß, aber vor einer kleinen Weile fragte ich Gwen, wann sie ihn zuletzt gesehen hätte, und sie behauptet, es war bei Dianes Schlußfeier an

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