Kinsey Millhone 02- In aller Stille
Was genau, wußte ich wohl auch nicht.«
»Aber als ich erwähnte, daß sie tot sein könnte, fiel der Groschen, richtig?« Ich klang gelangweilt. Ich klang auch verächtlich.
Unbehaglich rutschte sie hin und her. »Vorher. Ich glaube, ich hatte es nur einfach nie richtig in Worte gefaßt, bevor Sie es aussprachen, und dann wurde mir klar, daß ich die Situation besser noch einmal neu durchdenken sollte, bevor ich in etwas einwilligte.«
»Wie kommen Sie darauf, daß Aubrey damit zu tun hat?«
»An jenem Tag... als ich hierherkam, und Elaine und ich die Aussprache hatten... da hat sie mir gesagt, daß die Affäre schon seit Jahren dauerte. Endlich hatte sie herausgefunden, daß Aubrey ein Psychopath war, und sie wollte versuchen, die Sache abzubrechen.« Sie hielt inne, und die blauen Augen schauten zu mir auf. »Sie verstehen das mit Aubrey noch nicht. Sie wissen nicht, wie er ist. Man verläßt ihn nicht einfach. Man bricht das nicht einfach ab. Ich habe selbst damit gedroht. Glauben Sie nicht, das wäre mir nicht in den Sinn gekommen. Aber ich habe es nie getan. Ich weiß nicht, was er täte, aber ich könnte niemals von ihm loskommen. Niemals. Er würde mir bis ans Ende der Welt folgen und mich zurückholen, bloß, daß er mich dann wirklich dafür bezahlen ließe.«
»Bev, ich muß Ihnen sagen, ich hab da meine Schwierigkeiten«, sagte ich.
»Das kommt, weil Sie darauf reingefallen sind. Er kam hier angetanzt, und er hat seine Nummer für Sie abgezogen. Er hat Sie prima reingelegt, und jetzt können Sie sich’s nicht eingestehen, daß er es geschafft hat. Er hat das schon öfters gemacht. Er macht es mit jedem. Dieser Mann ist objektiv geisteskrank. Bis Reagan Gouverneur wurde, war er jahrelang in Camarillo gewesen. Erinnern Sie sich? Reagan kürzte den Staatshaushalt und setzte alle auf die Straße. Zu diesem Zeitpunkt kam Aubrey Danziger nach Hause, und seitdem ist mein Leben eine Hölle.«
Ich nahm einen Bleistift und klopfte auf den Rand des Schreibtischs, dann warf ich ihn zur Seite. »Ich werde Ihnen die Wahrheit sagen. Ich will Elaine finden. Das ist alles, was ich will. Ich bin wie ein junger Terrier. Jemand sagt mir, was ich tun soll, und das wird dann getan. Diese verdammte Sache würde mich bis ins Grab verfolgen. Ich werde herausfinden, was mit ihr geschehen ist und wo sie all die Monate war. Und Sie sollten besser beten, daß die Spur nicht zu Ihnen zurückführt.«
Sie stand auf. Sie nahm ihre Tasche und lehnte sich über den Schreibtisch. »Und Sie sollten besser beten, daß die Spur nicht zu Aubrey zurückführt, meine Liebe!« zischte sie.
Und dann war sie weg und hinterließ das schwache Aroma von Whisky, den ich gerade in ihrem Atem gerochen hatte.
Ich zerrte meine Schreibmaschine hervor, tippte einen detaillierten Bericht für Julia und führte meine Ausgaben für die letzten paar Tage auf. Ich benötigte Zeit, um zu verarbeiten, was Beverly mir über Aubrey gesagt hatte. Es war wie das Paradoxon von den Eingeborenenstämmen, von denen einer immer lügt und der andere immer die Wahrheit sagt. Wie will man jemals bestimmen, welcher von beiden was tut? Aubrey hatte mir erzählt, Beverly sei wie Mr. Hyde, wenn sie getrunken hatte. Sie hatte mir erzählt, er sei objektiv geisteskrank, aber sie hatte offensichtlich getrunken, als sie das sagte. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wer von den beiden ehrlich war, und ich wußte auch nicht, wie ich das herausfinden sollte. Ich wußte nicht einmal, ob das eine Rolle spielte. War Elaine Boldt wirklich tot? Es war mir sicherlich mehr als einmal durch den Kopf gegangen, doch ich hatte mir nicht klargemacht, daß Beverly oder Aubrey da mittendrinstecken könnten. Ich hatte in entgegengesetzter Richtung gesucht und irgendwie angenommen, Elaines Verschwinden hinge mit dem Mord an Marty Grice zusammen. Nun würde ich zurückgehen und die Suche neu beginnen müssen.
Zur Mittagszeit fuhr ich nach Hause und machte einen Lauf. Ich wußte, im Moment konnte ich nur Wasser treten, aber auf gewisse Weise mußte ich einfach abwarten. Etwas würde aufbrechen. Irgendeine Information würde ans Licht kommen. In der Zwischenzeit fühlte ich mich angespannt, und das mußte ich abarbeiten. Der Lauf war schlecht und brachte mich in eine miese Stimmung. Ich holte mir am Ende der ersten Meile Seitenstiche. Ich dachte, ich könnte sie abschütteln. Ich versuchte, meine Finger hineinzugraben und die Taille zu kneten, und dachte, bei einem Muskelkrampf müßte das
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