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Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief

Titel: Kinsey Millhone 03 - Abgrundtief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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unpersönlich war. Ich wollte sie fragen, ob ihre Füße genauso weh taten wie meine, oder ob sie eine Familie habe, über die wir reden könnten. Ich wollte, daß sie Neugier oder Entsetzen äußerte über diese Leute, für die sie arbeitete und die zu den unmöglichsten Tageszeiten auf Liegen weggekarrt werden. Statt dessen schenkte Bobby uns Wein ein, und wir aßen.
    Das Mahl sah aus wie aus einer Illustrierten. Pralle kalte Hähnchenviertel mit Senfsauce, winzige Blätterteigtörtchen mit Spinat und einem rauchigen Cheddarkäse gefüllt, hier und da ein paar Weintrauben und Petersiliensträußchen. Zwei kleine Porzellanschalen mit Deckel enthielten geeiste Tomatensuppe mit frisch geschnittenem Dill und einem Tupfer Crème fraiche obenauf. Wir beendeten das Essen mit einem Teller kleiner, verzierter Kekse. Ob diese Leute jeden Tag so aßen? Bobby würdigte all dies keines Blickes. Ich weiß nicht, was ich von ihm erwartete. Er konnte kaum jedesmal in ein Freudengeheul ausbrechen, wenn eine Mahlzeit serviert wurde. Aber ich war beeindruckt, und vermutlich wollte ich, daß er sich genauso wunderte wie ich, damit ich mir nicht ganz wie ein Bauerntrottel vorkam.
    Als wir schließlich hinuntergingen, war es fast acht Uhr, und die Gäste waren verschwunden. Das Haus schien ausgestorben, mit Ausnahme der beiden Mädchen, die schweigend das Wohnzimmer aufräumten, als wir vorbeikamen. Bobby führte uns zu einer schweren, eichengetäfelten Tür auf der anderen Seite der großen Halle. Er klopfte, und von innen kam eine gemurmelte Antwort. Wir betraten ein kleines Studierzimmer, in dem Glen Callahan mit einem Buch saß, ein Weinglas zu ihrer Rechten auf dem Tischende. Sie trug jetzt schokoladenbraune Wollhosen und einen passenden Kaschmir-Pullover. In dem Kupferrost brannte ein Feuer. Die Wände waren tomatenrot gestrichen, und die passenden Vorhänge waren zugezogen, um die kühle Dämmerung abzuhalten. In Santa Teresa sind die meisten Abende, unabhängig vom Monat, kalt. Dieser Raum war gemütlich, eine intime Rückzugsgelegenheit vom Rest des Hauses mit seinen hohen Decken und kalkweiß verputzten Wänden.
    Bobby setzte sich in den Sessel seiner Mutter gegenüber. »Hat Derek schon angerufen?«
    Sie schloß ihr Buch und legte es beiseite. »Vor ein paar Minuten. Sie ist über den Berg. Sie haben ihr den Magen ausgepumpt, und wenn sie außer Gefahr ist, wird man sie ins Krankenhaus aufnehmen. Derek wird dableiben, bis die Papiere unterschrieben sind.«
    Ich sah Bobby an. Er senkte seinen Kopf in die Hände und seufzte einmal vor Erleichterung, ein Geräusch wie ein tiefer Ton aus dem Dudelsack. Er schüttelte den Kopf und starrte auf den Fußboden.
    Glen beobachtete ihn. »Du bist erschöpft. Warum gehst du nicht einfach zu Bett? Ich wollte sowieso mit Kinsey allein sprechen.«
    »In Ordnung, könnte ich eigentlich machen«, meinte er. Das Schleppen in seiner Stimme war überdeutlich geworden, und jetzt sah ich, wie die feinen Muskeln neben seinen Augen zuckten, als würden sie elektrisch stimuliert. Offenbar wurde seine Behinderung durch Müdigkeit verschlimmert. Er stand auf und ging zu ihrem Sessel hinüber. Glen nahm sein Gesicht in ihre Hände und sah ihn aufmerksam an.
    »Ich werde es dich wissen lassen, wenn Kittys Zustand sich ändern sollte«, murmelte sie. »Ich will nicht, daß du dir Sorgen machst. Schlaf gut.«
    Er nickte und legte die gesunde Seite seines Gesichts an ihres. Dann ging er zur Tür. »Ich ruf dich morgen früh an«, sagte er zu mir gewandt und ging hinaus. Einen Moment lang konnte ich seinen schlurfenden Gang im Flur hören, dann erstarb das Geräusch.

5

    Ich setzte mich in den Sessel, aus dem Bobby aufgestanden war. Das Daunenkissen war noch warm und der Form seines Körpers angepaßt. Glen beobachtete mich, um sich, so schloß ich, ein Urteil zu bilden. Im Licht der Lampe konnte ich erkennen, daß ihre Haarfarbe die Schöpfung eines Experten war, der sie dem sanften Braunton ihrer Augen angepaßt hatte. Alles an ihr war aufeinander abgestimmt: Make-up, Kleidung, Accessoires. Offensichtlich war sie ein Mensch, der aufs Detail achtete, und ihr Geschmack war perfekt.
    »Es tut mir leid, daß Sie uns so kennenlernen mußten.«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Menschen je von ihrer besten Seite sehe«, erwiderte ich. »Das hinterläßt ein ziemlich schiefes Bild der Menschheit bei mir. Wird er meine Rechnungen begleichen oder Sie?«
    Die Frage veranlaßte sie, ihr ganzes Interesse auf

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