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Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Titel: Kinsey Millhone 04 - Ruhelos
Autoren: Sue Grafton
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daß er das Thema gewechselt hatte. »Wer, ich? Ich war immer da.«
    Er nahm einen Stift hoch und fing an, damit auf die Tischkante zu schlagen wie ein Mann, der bei einer winzigen Bluesband vorspielt. Er warf mir einen Blick zu, den ich schon früher gesehen hatte, voll Hitze und Spekulationen. »Hast du einen neuen Freund?«
    Ich schüttelte lächelnd den Kopf. »Die einzigen guten Männer, die ich kenne, sind verheiratet.« Ich flirtete, und das schien ihm zu gefallen.
    Seine blauen Augen bohrten sich in meine, und Farbe stieg ihm ins Gesicht. »Was machst du auf sexuellem Gebiet?«
    »Ich jogge, am Strand. Und du?«
    Er lächelte, unterbrach den Blickkontakt. »Mit anderen Worten, es geht mich nichts an.«
    Ich lachte. »Ich weiche der Frage nicht aus. Ich habe die Wahrheit gesagt.«
    »Wirklich komisch. Ich habe mir immer vorgestellt, du würdest ziemlich loslegen.«
    »Vor ein paar Jahren hab ich das gemacht, aber inzwischen mag ich das nicht mehr. Sex ist etwas Bindendes. Ich achte sorgfältig darauf, mit wem ich eine Verbindung eingehe. Außerdem hast du scheinbar keine Ahnung, wie es auf dem Markt aussieht. Ein One-Night-Stand ist mehr so etwas wie ein Ringkampf mit ein paar schnellen Rückenlagen. Ziemlich demoralisierend. Da bin ich schon lieber allein.«
    »Ich weiß, was du meinst. Ich bin auch losgezogen, in dem Jahr, als sie fort war, aber ich hab’s nie so richtig hingekriegt. Ich ging in ‘ne Bar, und so ‘n Mädchen hat sich an mich rangemacht, aber ich hab mich einfach nie richtig verhalten. Ein paarmal haben mir Frauen gesagt, ich wäre grob, wenn ich dachte, ich würde mich einfach unterhalten.«
    »Es ist noch schlimmer, wenn du Erfolg dabei hast«, sagte ich. »Sei froh, daß du es nie richtig gelernt hast. Ich kenne ein paar Jungs da draußen, und die sind hart wie Stahl. Unglücklich. Feindselig Frauen gegenüber. Die kriegen ‘n Aufriß, aber das ist auch alles, was sie kriegen.«
    Hinter ihm trat Lieutenant Becker ein und setzte sich an einen Schreibtisch auf der anderen Seite des Zimmers. Jonahs Bleistift fing wieder an zu klopfen, hörte dann auf. Er legte ihn beiseite und kippte auf seinem Stuhl nach hinten.
    »Ich wünschte, das Leben wäre einfach«, meinte er.
    Ich bemühte mich, meinen Ton so mild wie möglich zu halten. »Das Leben ist einfach. Du bist es, der es schwierig macht. Soweit ich das beurteilen kann, hast du es gut ohne Camilla geschafft. Aber sie winkt mit dem kleinen Finger, und schon rennst du zurück. Und jetzt kannst du dir nicht denken, was schiefgegangen ist. Hör endlich auf, dich wie ein Opfer zu benehmen, wenn du selbst dran schuld bist.«
    Diesmal lachte er. »Ach, Kinsey. Warum sagst du nicht einfach, was du denkst.«
    »Also schön, ich kann es einfach nicht verstehen, wenn jemand freiwillig leidet. Wenn du unglücklich bist, dann ändere was. Wenn du’s nicht zum Laufen kriegst, dann steig aus. Was ist daran so schwer?«
    »Hast du es so gemacht?«
    »Nicht ganz. Ich hab den ersten sitzenlassen, und der zweite hat mich sitzenlassen. Aber bei beiden hab ich mein Teil gelitten. Aber wenn ich jetzt so zurückschau, weiß ich wirklich nicht, warum ich es so lange ausgehalten habe. Das war dumm. Es war eine riesige Zeitverschwendung, und es hat mich viel gekostet.«
    »Ich hab nie gehört, daß du die Knaben auch nur erwähnt hättest.«
    »Äh, eines Tages erzähl ich dir von ihnen.«
    »Wollen wir zusammen was trinken gehen, wenn ich mit der Arbeit fertig bin?«
    Ich sah ihn kurz an und schüttelte den Kopf. »Das würde im Bett enden, Jonah.«
    »Darum geht’s doch, oder?« Er lächelte und zuckte mit den Brauen wie Groucho Marx.
    Ich lachte und brachte das Thema wieder auf Daggett, als ich aufstand. »Ruf mich an, wenn Dr. Yee Ergebnisse hat.«
    »Nicht nur dann.«
    »Bring erst mal dein Leben in Ordnung.«
    Als ich ging, starrte er mir immer noch nach. Ich konnte nichts weiter tun, als dort verschwinden. Ich verspürte diesen besorgniserregenden Drang, hinzulaufen und auf seinen Schoß zu springen, lachend sein Gesicht mit Küßen zu übersäen — aber ich fürchtete, das Department würde nie wieder das alte sein. Als ich mich kurz umdrehte, sah ich, wie Becker uns einen nachdenklichen Blick zuwarf, während er so tat, als würde er seinen Eingangskorb durchsehen.

7

    Daggetts Tod wurde als Unfall eingestuft. Jonah rief mich um vier Uhr an, um mir die Neuigkeiten mitzuteilen. Den Nachmittag verbrachte ich wieder in meine Decke gehüllt, in der
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