Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Titel: Kinsey Millhone 04 - Ruhelos
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
Gegend war früher einmal wahrscheinlich recht hübsch gewesen, aber jetzt wurde sie mehr und mehr von Apartmenthäusern bestimmt und war nur noch ein glückloses Gemisch aus den Verwahrlosten und den Nichtssagenden. Die kleinen Lebkuchenhäuschen klemmten zwischen dreistöckigen verputzten Schachteln mit Tiefgaragen, und überall gab es Hinweise auf die geschmacklose Nichtachtung der Vergangenheit.
    Ich parkte unter einem Mastixbaum und nutzte die überhängenden Zweige als Schutz, während ich meinen Schirm aufspannte. Ich sah noch einmal die Namen und Hausnummern der früheren Nachbarn nach, in der Hoffnung, daß einer von ihnen mir einen Hinweis darauf geben konnte, wo sich Polo jetzt aufhielt.
    Die erste Tür, an die ich klopfte, wurde von einer älteren Frau im Rollstuhl geöffnet. Ihre Beine waren bandagiert und in Schuhe gestopft, aus denen an den Seiten Stücke herausgeschnitten waren, um Platz für ihre entzündeten Fußballen zu schaffen. Ich stand auf der Veranda und redete durch die Außentür mit ihr, die sie verriegelt hielt. Sie konnte sich noch vage an Billy erinnern, hatte aber keine Ahnung, was aus ihm geworden oder wohin er gegangen war. Sie verwies mich auf ein kleines Mietshaus auf der Rückseite des Nachbaranwesens. Dabei handelte es sich nicht um eine der Adressen, die ich aus dem Stadtbuch aufgeschrieben hatte. Sie erklärte, Billys Familie hätte im Vorderhaus gewohnt, während das Hinterhaus noch immer von einem alten Herrn namens Talbot bewohnt wurde, der schon seit dreißig Jahren dort lebte. Ich bedankte mich und ging über die vom Regen schlüpfrigen Stufen nach unten und dann die Auffahrt zurück.
    Das Vorderhaus mußte eines der ersten Häuser in dieser Gegend gewesen sein — anderthalb Stockwerke aus weißem Holz, ein spitzes Dach, zwei Türmchen und eine Veranda vor dem Haus, die jetzt mit Fliegengitter abgeschlossen und mit Trödel vollgestopft war. Ich konnte die Wicklungen auf der Rückseite eines alten Kühlschranks sehen und daneben etwas, das wie ein Haufen Milchtüten aussah, die mit Taschenbüchern gefüllt waren. Bougainvillea rankten sich wirr an der Seite des Hauses hoch, und der Ablauf von der Regenrinne ergoß einen Schwall Wasser auf die Auffahrt und zwang mich, einen weiten Bogen nach rechts zu machen.
    Das Rückgebäude sah aus, als wäre es ursprünglich ein Werkzeugschuppen gewesen, mit einem Anbau auf der linken Seite und einem winzigen Autostellplatz auf der rechten. Ein Wagen war nirgends zu sehen, und den größten Teil des geschützten Platzes nahm Feuerholz ein, das an die Wand gestapelt war. Es war vielleicht noch genug Platz für ein Fahrrad vorhanden, aber viel mehr auch nicht.
    Das Gebäude bestand aus weißem Gebälk und Ziegelsteinen, mit einem Fenster zu beiden Seiten der Mitteltür und einem winzigen Schornstein, der sich durchs Dach bohrte. Es sah genauso aus wie die Zeichnung, die wir alle in der Volksschule gemalt hatten, sogar Rauch kringelte sich aus dem Schornstein.
    Ich klopfte, und ein alter, verhutzelter Mann ohne Zähne öffnete mir. Sein Mund bildete einen breiten Strich, der die Nasenspitze kaum von dem nach vorn und oben gereckten Kinn trennte. Als er mich sah und begriff, daß ich niemand war, den er kannte, verließ er kurz die Tür und kehrte mit seinem Gebiß zurück, lächelte ein wenig, als er es zurechtrückte. Die falschen Zähne verursachten ein knirschendes Geräusch, wie ein Pferd, das auf seiner Trense kaut. Er schien um die Siebzig zu sein, wirkte gebrechlich, die blasse Haut zeigte rote und blaue Flecken. Das weiße Haar hatte er vorne zu einer Tolle gebürstet, über den Ohren war es spärlich und ausgefranst, und hinten reichte es bis zum Nacken hinab. Er trug ein Hemd, das von vielen Jahren des Waschens weich geworden zu sein schien, und eine Jacke, die wahrscheinlich irgendwann einmal einer Frau gehört hatte. Die Knöpfe waren Straßsteine, und die Knopflöcher saßen auf der falschen Seite. Mit zitternder Hand strich er sein Haar glatt und wartete ab, was ich wollte.
    »Sind Sie Mr. Talbot?«
    »Kommt drauf an, wer das wissen will.«
    »Ich bin Kinsey Millhone. Die Frau nebenan meinte, ich sollte mit Ihnen sprechen. Ich suche Billy Polo. Seine Familie hat vor ungefähr fünf Jahren im Vorderhaus gewohnt.«
    »Ich kenne Billy ganz gut. Warum suchen Sie ihn?«
    »Ich brauche ein paar Auskünfte über einen Freund von ihm«, antwortete ich und gab ihm dann eine kurze Erklärung. Ich sah keinen Grund dafür, ihn zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher