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Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Titel: Kinsey Millhone 04 - Ruhelos
Autoren: Sue Grafton
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und schließlich das Licht auf der vorderen Veranda. Ich ließ ihr ein paar Minuten Zeit, um ihren Mantel aufzuhängen, und kehrte dann an ihre Haustür zurück.
    Ich klopfte wieder. Ich konnte sehen, wie sie von der Rückseite des Hauses in den Gang spähte und sich dann der Haustür näherte. Sie starrte mich verständnislos an, beugte dann den Kopf näher an die Scheibe, um besser sehen zu können.
    Sie schien um die Fünfzig zu sein, mit einer dunklen Haut und tiefen Falten. Ihr Haar war zu einheitlich braun, um natürlich zu sein. Sie trug es an der Seite gescheitelt, mit einem dicken Pony über der faltigen Stirn. Ihre Augen hatten die Größe und Farbe alter Pennystücke, und ihr Make-up sah aus, als müßte es um diese Tageszeit dringend aufgefrischt werden. Sie trug eine Uniform, die ich schon einmal gesehen hatte, eine braune Hose und eine braungelb-karierte Tunika. Aber ich konnte die Aufmachung nicht sofort unterbringen.
    »Ja?« rief sie durch die Scheibe.
    Ich hob die Stimme, um das Geräusch des Regens zu übertönen. »Ich suche Billy. Ist er schon zurück?«
    »Der wohnt nicht hier, Süße, aber er hat gesagt, er würde um acht Uhr kommen. Wer sind Sie?«
    Ich nannte aufs Geratewohl einen Namen. »Charlene. Sind Sie seine Mutter?«
    »Charlene was?«
    »Ein Freund von ihm hat gesagt, ich sollte ihn besuchen, wenn ich mal nach Santa Teresa kommen würde. Ist er zur Arbeit?«
    Sie warf mir einen merkwürdigen Blick zu, als wäre ihr niemals der Gedanke gekommen, Billy könnte arbeiten. »Er sucht bei den Gebrauchtwagenhändlern nach ‘nem Auto.«
    Sie hatte eines dieser Gesichter, die immer quälend vertraut erscheinen, und mit Verspätung dämmerte es mir, daß sie eine der Kassiererinnen in dem Supermarkt war, in dem ich hin und wieder einkaufe. Wir hatten uns sogar mal darüber unterhalten, daß ich Privatdetektivin bin. Ich zog mich vorsichtig aus dem Schein der Verandabeleuchtung zurück und hoffte, daß sie mich nicht im selben Augenblick erkannt hatte wie ich sie. Ich hielt eine Ecke meines Regenmantels hoch, als wollte ich mein Gesicht vor dem Wind schützen.
    Sie schien zu begreifen, daß etwas Merkwürdiges vorging. »Warum suchen Sie ihn?«
    Ich ignorierte ihre Frage, tat so, als könnte ich sie nicht hören. »Ich komme wieder, wenn er daheim ist. Sagen Sie ihm nur, Charlene wäre dagewesen«, brüllte ich. »Ich komme wieder, wenn ich kann.«
    »Schön«, stimmte sie zögernd zu. Ich winkte ihr zu, als ich mich umdrehte. Dann lief ich die Verandatreppe hinab ins Dunkle und spürte, daß sie mir mißtrauisch nachsah. Dann muß ich wohl aus ihrem Blickfeld verschwunden sein, denn sie schaltete das Licht auf der Veranda aus.
    Als ich zu meinem Wagen zurückkam, schüttelte mich einer dieser heftigen Schauer, die einen von Kopf bis Fuß erbeben lassen. Wenn ich Billy erwischte, würde ich vielleicht zugeben, wer ich war und was ich von ihm wollte, aber im Augenblick wollte ich nichts verraten. Ich warf einen Blick auf meine Uhr und schickte mich an zu warten. Schon jetzt kam es mir wie ein langer Abend vor.

8

    Vier Stunden vergingen. Der Regen hörte auf. Es wurde offensichtlich, daß Billy sich nicht nur verspätete, sondern möglicherweise überhaupt nicht mehr kommen würde. Vielleicht hatte er einen Wagen gekauft und ihn aus der Stadt geschafft, oder vielleicht hatte er irgendwann seine Mutter angerufen und beschlossen, den Besuch fallenzulassen, als er von »Charlene« hörte. Ich trank den ganzen Kaffee aus der Thermoskanne, mein Kopf zersprang fast von all dem Koffein. Wenn ich rauchen würde, hätte ich wahrscheinlich eine Schachtel leer gemacht. So hörte ich noch achtmal die Nachrichten, den Farm-Bericht und eine Stunde spanische Musik. Ich dachte über die Möglichkeit nach, die spanische Sprache einfach dadurch zu lernen, daß man diesen sentimentalen Liedern zuhörte. Ich dachte über Jonah und die Ehemänner nach, die ich kennengelernt hatte. Wenn mein Herz noch mal brechen sollte, dann würde sich das gewiß genauso anhören, obwohl die Texte, nach allem, was ich verstand, von Würmern und Hernien handelten, Dingen also, die nur durch hochtrabende Harmonien so seelenvoll klangen. Alles in allem war ich nahe daran, mich mit meinen geistigen Prozessen zu Tode zu langweilen, und so war ich wirklich erleichtert, als ich einen Wagen näher kommen und am Bordstein vor dem Haus auf der anderen Straßenseite halten sah. Es sah aus wie ein 67er Chevrolet, weiß, mit einem
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