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Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Kinsey Millhone 04 - Ruhelos

Titel: Kinsey Millhone 04 - Ruhelos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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begleiten?«
    Er warf Ramona einen Blick zu, aber sie schlug davor die Augen nieder. Sie protestierte nicht. Also senkte er zustimmend den Kopf.
    Er hielt die Tür für mich auf, während ich Rock und Schuhe einpackte und mich wieder ihr zuwandte. »Das hätte ich fast vergessen. Die gehören nicht zufällig Ihnen?«
    »Bestimmt nicht«, sagte sie zu mir, und dann zu ihm: »Bleib nicht so lange.«
    Er sah aus, als wollte er etwas sagen, zuckte dann aber nur mit den Schultern. Er folgte mir auf die Veranda hinaus und dann die Treppe hinunter. Ich ging voraus ums Haus herum. Der Weg zur Straße war in unregelmäßigen Abständen mit Steinen gepflastert, und ich mußte aufpassen, wohin ich trat.
    »Ich habe eine Frage«, sagte ich, als wir den Wagen erreichten.
    Er beobachtete mich aufmerksam, interessiert, aber auf der Hut.
    »Ich wüßte gern mehr über die Migräne, die du Freitag abend gehabt hast. Erinnerst du dich, wie lange die gedauert hat?«
    »Freitag abend?« Seine Stimme klang vor Überraschung krächzend.
    »Richtig. Hattest du an jenem Abend nicht Migräne?«
    »Ich denke schon.«
    »Erinnere dich genau. Laß dir Zeit.«
    Er schien sich nicht wohl zu fühlen, suchte nach einem sichtbaren Hinweis. Das hatte ich schon früher bei ihm beobachtet, daß er versuchte, Körpersprache zu lesen, um so antworten zu können, was von ihm erwartet wurde. Ich wartete stumm, ließ seine Sorge noch zunehmen.
    »Ich glaube, das war der Tag, an dem ich eine hatte. Als ich aus der Schule heimkam. Aber dann ist sie vergangen.«
    »Um welche Zeit war das?«
    »Wirklich spät. Nach Mitternacht. Vielleicht zwei... halb drei, so um den Dreh.«
    »Wie kommt es, daß du dich an die Zeit erinnerst?«
    »Tante Ramona hat mir in der Küche ein paar Sandwiches gemacht. Ich hatte wirklich schlimme Kopfschmerzen, und ich hatte stundenlang gebrochen und deshalb nicht zu Abend gegessen. Ich war am Verhungern. Ich muß auf die Küchenuhr gesehen haben.«
    »Was für Sandwiches?«
    »Was?«
    »Ich habe mich gefragt, was für Sandwiches sie dir wohl gemacht hat.«
    Sein Blick saugte sich in meinem fest. Die Sekunden verstrichen. »Hackbraten«, sagte er schließlich.
    »Danke. Das hilft mir weiter.«
    Ich öffnete die Fahrertür des VW, warf Rock und Schuhe auf den Beifahrersitz und stieg ein. Seine Version entsprach im großen und ganzen der seiner Tante, aber ich hätte schwören können, daß »Hackbraten« geraten war.
    Ich ließ den Wagen an und wendete, fuhr auf das Tor zu. Ich erhaschte noch einen Blick auf ihn im Rückspiegel, aber da ging er bereits zum Haus zurück.

22

    Es ist eine Tatsache im Leben, daß man jeden einzelnen Schritt durchlaufen muß, wenn sich ein Fall nicht lösen läßt, daß man Wasser aufpeitschen und an allen Käfigen im Zoo rütteln muß. Zu diesem Zweck machte ich auf meinem Weg zurück in die Stadt einen großen Umweg, der auch einen Halt in der Wohnwagenstadt beinhaltete. Ich hoffte, Lovella wäre noch dort. Es war mir klar, schließlich bin ich kein Dummkopf, daß es ein sinnloses Unterfangen war, einen grünen Wollrock und ein Paar Schuhe durch die ganze Stadt zu schleifen. Niemand würde sie als sein Eigentum beanspruchen, und wenn ja, was dann? Die Gegenstände bewiesen überhaupt nichts. Niemand würde bei ihrem Anblick schluchzend zusammenbrechen und gestehen. Es war einfach nur meine Art, ihnen allen zu zeigen, daß ich immer noch an der Arbeit war und Fortschritte machte, so unwesentlich sie auch erscheinen mochten.
    Ich klopfte an die Tür des Anhängers, aber niemand öffnete. Ich kritzelte eine Nachricht auf die Rückseite einer Visitenkarte und bat um Lovellas Anruf. Ich schob die Karte in die Tür, ging zu meinem Wagen zurück und fuhr in die Stadt.
    Wayne Smiths Büro lag im siebten Stock des Granger Building im Zentrum von Santa Teresa. Abgesehen vom Uhrturm auf dem Justizgebäude ist das Granger wohl das einzige Bauwerk in der State Street, das mehr als zwei Stockwerke hoch ist.
    Der Charme der Innenstadt besteht zum großen Teil darin, daß sie so flach ist. Sie wirkt irgendwie spanisch. Sogar die Sockel der Müllcontainer sind verputzt und mit dekorativen Kacheln verziert. Die Telefonzellen sehen aus wie kleine Hütten, und wenn man die Tatsache ignorieren kann, daß die Penner sie als Pissoirs benutzen, dann ist die Wirkung toll. Blumenkästen, Jacaranda-Bäume und Palmen säumen den Fußweg. Niedrige, reich verzierte Wände werden hier und da breiter und bilden so Sitzgelegenheiten

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