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Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke

Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke

Titel: Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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gesagt, du sollst dir die Sache nicht näher ansehen. Du bist schließlich Detektivin. Also geh und untersuch alles. Aber ich an deiner Stelle wäre vorsichtig. Versicherungsbetrug ist schlimm genug. Du willst doch bestimmt nicht die Schuld an etwas Schlimmerem kriegen.«
    Ich hatte Angst, ihn zu fragen, was er meinte.
    Ich fuhr heim und lud die Kartons mit meinen Bürounterlagen aus. Dann brauchte ich ein paar Minuten, um die Durchsage auf meinem Anrufbeantworter neu aufzunehmen. Ich ließ mich mit Jonah Robb von der Vermißtenabteilung bei der Polizei von Santa Teresa verbinden. Normalerweise rufe ich keine Männer an. Ich bin so erzogen worden, daß eine Frau sich heutzutage selbst zu helfen weiß, und ich war auch bereit, das zu tun, wenn ich nur erst wüßte, wo ich anfangen sollte.
    Ich hatte Jonah sechs Monate zuvor kennengelernt, als ich an einem Fall arbeitete. Unsere Pfade hatten sich danach mehr als einmal gekreuzt, in letzter Zeit meist in meinem Bett. Er ist neununddreißig, ungezwungen, offen, lustig, verwirrt, ein gequälter Mann mit blauen Augen, schwarzem Maar und einer Ehefrau namens Camilla, die immer wieder einmal aus heiterem Himmel mit seinen beiden kleinen Mädchen, deren Namen ich unterdrücke, verschwindet. Ich hatte die Anziehung zwischen uns beiden ignoriert, solange es ging, zu klug (wie ich mir sagte), um mich auf eine Affäre mit einem verheirateten Mann einzulassen. Und dann, an einem verregneten Abend, war ich auf dem Heimweg von einem deprimierenden Gespräch mit einem feindseligen Menschen mit ihm zusammengestoßen. Jonah und ich fingen an, Margaritas zu trinken, in einer Bar am Strand. Wir tanzten zu alten Johnny-Mathis-Liedern, unterhielten uns, tanzten wieder und bestellten noch mehr zu trinken. Irgendwann, so um »The Twelfth of Never« herum, verlor ich meinen Entschluß aus den Augen und nahm ihn mit zu mir. Scheiße, ich konnte dem Text von diesem Song noch nie widerstehen.
    Im Augenblick befanden wir uns in diesem Stadium einer neuen Beziehung, wo beide Parteien vorsichtig sind, zögern, etwas zu vermuten, leicht verletzbar, eifrig darauf bedacht, den anderen zu erkennen und selbst auch erkannt zu werden, solange die wahren Charakterschwächen sich noch verheimlichen lassen. Das Risiko fühlte sich gut an, und die Folge davon war, daß auch alles andere gut war. Ich lächelte viel, wenn ich an ihn dachte, und manchmal lachte ich sogar laut heraus, aber unter dieser Wärme lag ein sonderbarer Schmerz. Ich bin zweimal verheiratet gewesen und öfter übers Ohr gehauen worden, als ich zugeben möchte. Ich bin nicht mehr so vertrauensselig wie früher, und mit gutem Grund. Unterdessen befand sich Jonah in einem Zustand ständigen Aufruhrs, je nach dem Wechsel in Camillas Stimmung. Ihr neuester Ausbruch war, daß sie eine »offene« Ehe wünschte, und er schätzte, daß die sexuellen Freiheiten wohl eher ihr als ihm zugute kommen sollten.
    »Vermißtenstelle. Sergeant Schiffman.«
    Einen Moment lang konnte ich überhaupt keinen Gedanken fassen. »Rudy? Hier ist Kinsey. Wo ist Jonah?«
    »Oh, hallo, Kinsey. Er ist außerhalb. Ist mit seiner Familie über die Feiertage Ski fahren. Das kam ganz plötzlich, aber ich dachte, er hätte dir Bescheid sagen wollen. Hat er nicht angerufen?«
    »Nein, hat er nicht. Weißt du, wann er zurückkommen wollte?«
    »Warte mal, ich sehe nach.« Er schaltete mich auf die Warteleitung, und ich durfte zuhören, wie der Norman-Luboff-Chor sang: »Hark, the Herald Angels Sing.« Weihnachten war vorbei. Hatte das noch niemand mitbekommen? Rudy schaltete sich wieder ein. »Sieht aus, als wollte er am 3. Januar zurück sein. Willst du eine Nachricht für ihn hinterlassen?«
    »Richte ihm aus, ich hätte mich erhängt«, sagte ich und legte auf.
    Ich muß gestehen, daß ich in der Abgeschiedenheit meines Zimmers in Tränen ausbrach und volle sechs Minuten lang aus lauter Frust weinte. Dann machte ich mich an die Arbeit.
    Die einzige Möglichkeit, einen Angriff zu starten, war über Ash Wood, soweit ich das sehen konnte. Seit der High-School hatte ich sie nicht mehr gesehen, also fast vierzehn Jahre lang. Ich versuchte es mit dem Adreßbuch. Ihre Mutter Helen Wood war aufgeführt, ebenso Lance, aber von Ash fand ich nichts. Das hieß wahrscheinlich, daß sie verzogen war oder geheiratet hatte. Ich versuchte es im Haupthaus. Eine Frau nahm den Anruf entgegen. Ich stellte mich vor und erzählte ihr, daß ich versuchte, Ash zu finden. In einer solchen Situation

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