Kinsey Millhone 05 - Kleine Geschenke
macht ja richtig Spaß! Ich versuchte es mit der Nummer, und schon beim dritten Klingeln wurde abgenommen.
»Hallo.«
»Kann ich Lyda Case sprechen?«
»Am Apparat.«
»Tatsächlich?« Ich war erstaunt über meine eigene Schlauheit.
»Wer ist da?« Die Stimme war flach.
Ich hatte nicht erwartet, sie zu erreichen, und hatte noch keine plausible Ausrede erfunden. So war ich gezwungen, die Wahrheit zu sagen. War ’n großer Fehler. »Mein Name ist Kinsey Millhone. Ich bin Privatdetektivin in Santa Teresa, Kalifornien...«
Peng. Mittendrin verlor ich ein bißchen von meinem Gehör. Ich rief noch einmal an, aber sie nahm den Hörer nicht ab.
Jetzt mußte ich erst einmal herausbekommen, wo sie arbeitete, aber ich konnte es mir nicht leisten, jede Bar im Bereich Dallas/Fort Worth anzurufen, wenn sie überhaupt noch immer als Bardame arbeitete. Ich versuchte es noch einmal bei der Auskunft und ließ mir die Telefonnummer der Zweigstelle Nr. 353 der Hotel and Restaurants Employees Union in Dallas geben. Mein Zeigefinger schwebte schon über der Tastatur, als mir klar wurde, daß ich eine List anwenden mußte.
Ich setzte mich hin und dachte einen Moment nach. Es wäre bestimmt hilfreich, Lyda Cases Sozialversicherungsnummer zu haben, aber beim Sozialamt würde ich sie gewiß nicht bekommen. Ich mußte sie mir irgendwie aus öffentlich zugänglichen Unterlagen beschaffen.
Ich schnappte mir meine Handtasche, eine Jacke und meine Autoschlüssel und machte mich auf den Weg zum Gerichtsgebäude. Das Wählerregister befindet sich im Keller, eine breite, rote Steintreppe hinab, deren Geländer aus einem antiken Seil besteht, das so dick ist wie eine Boa Constrictor.
Ich folgte den Schildern einen kurzen Korridor entlang und erreichte schließlich durch eine Glastür das Büro. Zwei Angestellte arbeiteten hinter dem Tresen, aber niemand kümmerte sich um mich. Auf dem Tresen stand ein Computer, und ich gab Lyda Cases Namen ein. Ich schloß kurz die Augen, schickte ein kleines Stoßgebet zu welchem Gott auch immer, der für Bürokratie zuständig ist. Wenn Lyda sich in den letzten sechs Jahren eingetragen hatte, würde das neue Formular ihre Sozialversicherungsnummer nicht mehr aufweisen. Diese Frage war 1976 herausgefallen.
Der Name leuchtete auf. Lyda Case hatte sich am 14. Oktober 1974 zum erstenmal zur Wahl eintragen lassen. Die Nummer des Affidavits war auf der untersten Reihe aufgeführt. Ich notierte sie mir und gab die Notiz der Angestellten, die nähergekommen war, als sie sah, daß ich Hilfe brauchte.
Sie verschwand durch einen Korridor im Hintergrund, wo die alten Akten aufbewahrt werden. Ein paar Minuten später kehrte sie mit der Unterlage zurück. Lyda Cases Sozialversicherungsnummer war säuberlich eingetragen. Außerdem erfuhr ich jetzt noch ihr Geburtsdatum. Ich mußte lachen, als ich das sah. Die Angestellte lächelte, und der Blick, den wir wechselten, verriet mir, daß sie über einige Dinge ebenso dachte wie ich. Ich liebe Informationen. Manchmal komme ich mir vor wie ein Archäologe, der nach Tatsachen gräbt, wenn ich mit meinem Verstand und einem Kugelschreiber Daten freilege. Ich machte mir Notizen und summte dabei vor mich hin.
Jetzt konnte ich mich an die Arbeit machen.
Ich fuhr wieder heim und nahm das Telefon, wählte erneut die Nummer der Bartenders-Gewerkschaft in Santa Teresa.
»Vier Achtundneunzig«, meldete sich eine Frau.
»Oh, hallo«, sagte ich. »Mit wem spreche ich, bitte?«
»Ich bin die Verwaltungsassistentin«, lautete die spröde Antwort. »Vielleicht stellen Sie sich erst mal vor.«
»Oh, Verzeihung, natürlich. Hier ist Vicky von der Handelskammer. Ich adressiere gerade die Einladungen für das jährliche Dinner des Kreisverwaltungsvorstandes, und dafür benötige ich Ihren Namen, wenn Sie so freundlich wären.«
Ein kurzes Schweigen trat ein. »Rowena Feldstaff«, sagte sie dann und buchstabierte es sorgfältig.
»Danke.«
Dann wählte ich wieder die Nummer in Texas. Das Telefon am anderen Ende läutete viermal, während in der Leitung zwei Frauen mit leisen, jungen Stimmen lachten. Schließlich nahm jemand ab.
»Bartenders Zweigstelle Drei Fünf Drei. Mary Jane am Apparat. Kann ich Ihnen helfen?« Sie hatte eine sanfte Stimme und einen leichten texanischen Akzent. Sie hörte sich an, als wäre sie ungefähr zwanzig.
»Bestimmt, Mary Jane«, sagte ich. »Hier spricht Rowena Feldstaff aus Santa Teresa, Kalifornien. Ich bin Verwaltungsassistentin für Bartenders Nr.
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