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Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung

Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung

Titel: Kinsey Millhone 08 - Sie kannte ihn fluechtig - F wie Faelschung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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ihr herumgeschnüffelt hatte? Ich hob ihn auf. Er war leer. Also nichts. Vorsichtig begann ich, den Müll zu durchwühlen. Und da war sie. Eine Postkarte, die Reproduktion eines Stilllebens mit üppigem Rosenstrauß in einer Vase. Auf die Rückseite hatte jemand geschrieben: »Sanctuary. Mittw. 2 Uhr.« Mit wem könnte sie sich im »Allerheiligsten« getroffen haben? Mit Bob Haws? June? Ich steckte die Karte in die Handtasche und fuhr zur Kirche.
    Die Baptisten-Kirche von Floral Beach (übrigens die einzige Kirche der Stadt, um präzise zu sein) lag an der Ecke Kai und Palm Street und war ein bescheidener Holzbau mit mehreren Nebengebäuden. Eine Treppe erstreckte sich über die gesamte Breite des Hauptgebäudes. Weiße Säulen trugen das Vordach. Eines musste man den Baptisten lassen: sie neigten offenbar nicht dazu, das Geld der Gemeinde an irgendeinen unfähigen Architekten zu verschwenden. Diesen Kirchentyp hatte ich schon oft gesehen; ich nehme an, dass die Kopien der Pläne gegen die Einsendung des Portos verschickt werden. Draußen auf der Straße parkte der Lieferwagen eines Blumengeschäfts; er brachte vermutlich den Blumenschmuck für die Beerdigung.
    Die Flügeltür der Kirche stand offen, und ich ging hinein. Die bunten Kirchenfenster innen waren Massenware, Jesus in einem knöchellangen Nachthemd, in dem man ihn in dieser Stadt gesteinigt hätte. Die Apostel zu den Füßen des Gottessohnes, der wie eine albern lächelnde Frau mit lockigem Haar aussah. Haben sich die Männer damals wirklich rasiert? Das waren Fragen, die mich als Kind brennend interessierten und die mir niemand beantwortet hat.
    Die Wände waren weiß gestrichen, der Fußboden mit beigefarbenem Linoleum ausgelegt. Die Kirchenbänke hatte man mit schwarzen Satinschleifen geschmückt. Tap Grangers Sarg stand ziemlich weit vorn aufgebahrt. Joleen hatte sich offensichtlich dazu überreden lassen, viel mehr auszugeben, als sie sich leisten konnte. Aber es ist schwer, von Trauer überwältigt standhaft zu bleiben und nüchtern zu kalkulieren.
    Eine Frau in weißer Schürze war dabei, ein herzförmiges Blumenarrangement auf einem Ständer aufzustellen. Die breite, lavendelfarbene Schleife trug in schwungvollen Goldbuchstaben die Inschrift: »Ruhe sanft in Jesus’ Armen.« Oben auf der Empore war June Haws zu sehen, die unter heftigen Bewegungen des Oberkörpers und der Füße einen Choral intonierte und mit piepsiger Stimme dazu sang; die Melodie klang wie die musikalische Untermalung eines Seifen-Werbespots. Die Bandagen an ihren Händen weckten merkwürdige Erinnerungen. Als ich näher kam, unterbrach sie ihr Spiel und drehte sich zu mir um.
    »Entschuldigen Sie, dass ich störe«, begann ich.
    Sie legte die Hände in den Schoß. »Das macht nichts«, sagte sie. Sie wirkte sanft und gelassen, einmal abgesehen davon, dass orangefarbene Wundtinktur mittlerweile bis zur Höhe der Ellbogen durch die Bandagierung drang. Breitete er sich weiter aus, der Aussatz, dieses Giftgeschwür der Seele?
    »Ich wusste nicht, dass Sie hier als Organistin aushelfen.«
    »Das tue ich normalerweise auch nicht, aber Mrs. Emma ist bei Ann. Haws ist zu Royce ins Krankenhaus gefahren, um ihm beizustehen. Ich nehme an, dass die Ärzte ihm von Oribelles Tod erzählt haben. Arme Seele. Es war die Reaktion auf ein Medikament, oder? Das hat man uns wenigstens gesagt.«
    »Ja, sieht so aus. Aber sicher kann man das erst sagen, wenn die Laborberichte vorliegen.«
    »Gott sei ihrer Seele gnädig«, murmelte sie und zupfte an der Bandagierung ihres linken Arms. Die Handschuhe hatte sie zum Musizieren abgenommen. Sie hatte kräftige Finger mit kurz geschnittenen Nägeln.
    Ich nahm die Postkarte aus meiner Handtasche. »Haben Sie zufällig hier in der Kirche vor ein paar Tagen mit Shana Timberlake gesprochen?«
    Sie blickte flüchtig auf die Karte und schüttelte den Kopf.
    »Vielleicht Ihr Mann?«
    »Da müssen Sie ihn schon selbst fragen.«
    »Wir hatten noch gar keine Gelegenheit, über Jean Timberlake miteinander zu sprechen«, bemerkte ich.
    »Sie war ein armes Ding, sehr hübsch, aber das hat ihr für ihr Seelenheil nichts genützt.«
    »Vermutlich nicht«, stimmte ich zu. »Kannten Sie sie gut?«
    June Haws schüttelte den Kopf. Irgendein Kummer schien ihren Blick zu verdunkeln, und ich wartete, ob sie weitersprechen würde. Offenbar hatte sie jedoch nicht die Absicht.
    »Sie ist Mitglied der kirchlichen Jugendgruppe gewesen, stimmt’s?«
    Schweigen.
    »Mrs.

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