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Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser

Titel: Kinsey Millhone 10 - Stille Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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auf dem Platz hinter dem Gebäude und ging die Hintertreppe hinauf in die erste Etage. Die meisten Firmen im Haus arbeiteten am Samstag nicht, so daß das ganze Gebäude seltsam unbewohnt wirkte. Ich hatte meinen Stenoblock mitgenommen, um Gordon Titus mit meinem Professionalismus zu beeindrucken. Der Block war leer bis auf einen einzigen Eintrag, »Jaffe suchen«. Waren wir also wieder da angelangt! Ich konnte es nicht glauben. Wir hatten ihn schon fast am Haken gehabt. Was mich bedrückte, war, daß ich ihn mit seinem Enkel gesehen hatte. Ich hatte ihn mit Michael zusammen gesehen, wie er versucht hatte, Abbitte zu leisten. Und wenn er ein noch so großes Charakterschwein war, ich konnte nicht glauben, daß das alles nur Theater gewesen war. Ich war bereit zu glauben, daß er seinen Entschluß, sich der Polizei zu stellen, umgestoßen hatte. Ich konnte mir vorstellen, daß er die Lord gestohlen hatte, um die Küste hinunterzusegeln und Brian vor dem Gefängnis zu bewahren. Aber ich konnte den Gedanken nicht akzeptieren, daß er seine Familie noch einmal verraten würde. So herzlos konnte nicht einmal Wendell Jaffe sein.
    Offiziell waren die Büros der California Fidelity geschlossen, aber im Schloß hing ein großer Schlüsselbund, der durch das Glas sichtbar war. Darcys Schreibtisch war nicht besetzt, aber flüchtig sah ich in Macs Glaskasten, dem einzigen, in dem Licht brannte. Gordon Titus. Mac kam mit zwei Bechern Kaffee in den Händen vorbei. Ich klopfte an das Glas. Er stellte die Becher auf Darcys Schreibtisch ab und öffnete mir die Tür.
    »Wir sind in meinem Büro.«
    »Das habe ich schon gesehen. Ich hole mir nur rasch auch einen Kaffee, dann komme ich.«
    Er nahm die Becher und ging ohne ein weiteres Wort. Er wirkte niedergeschlagen. Das hatte ich eigentlich nicht erwartet. Ich hatte eher mit einem Donnerwetter gerechnet. Er hatte den Fall als eine Gelegenheit gesehen, mit Ruhm und Ehre seine Karriere bei der California Fidelity abschließen zu können.
    Die Schreibtische waren alle unbesetzt, die Telefone alle still. Gordon Titus saß an Macs Schreibtisch, makellos gekleidet, die Hände vor sich gefaltet, das Gesicht ausdruckslos. Ich habe Schwierigkeiten, jemandem zu trauen, der so unerschütterlich ist. Er erschien gelassen, aber ich war überzeugt, daß ihm in Wahrheit die meisten Dinge einfach gleichgültig waren. Ich schenkte mir Kaffee mit Magermilch ein, ehe ich mich in Macs Büro begab und dem eisigen Hauch von Gordon Titus’ Persönlichkeit aussetzte.
    Mac saß in einem der Besuchersessel und schien sich gar nicht bewußt zu sein, wie geschickt Titus ihn verdrängt hatte.
    »Eines sage ich Ihnen«, sagte Mac gerade, »und Kinsey kann das getrost an Mrs. Jaffe weitergeben. Ich lasse dieses Geld sperren, bis Wendell Jaffe an Altersschwäche stirbt. Wenn sie auch nur einen Cent davon sehen will, muß sie mir schon seine Leiche ins Büro bringen.«
    »Guten Morgen«, sagte ich und setzte mich in den anderen Besuchersessel neben Mac. Der schüttelte den Kopf und warf mir einen finsteren Blick zu. »Dieser Mistkerl hat es wieder geschafft.«
    »Scheint so. Was ist passiert?« fragte ich.
    »Erzählen Sie’s ihr«, sagte Mac.
    Titus zog ein Rechnungsbuch zu sich heran. Er schlug es auf und blätterte es auf der Suche nach einer freien Seite durch. »Was schulden wir Ihnen bis heute?«
    »Zweitausendfünfhundert. Das sind zehn Tage pauschal. Sie können froh sein, daß ich kein Kilometergeld berechnet habe. Ich gondle jeden Tag zwei-, dreimal nach Perdido und zurück, das summiert sich.«
    »Zweitausendfünfhundert Dollar, und wofür?« fragte Mac. »Wir sind genau wieder da, wo wir angefangen haben. Wir wissen gar nichts.«
    Titus folgte mit dem Finger einer Kolumne abwärts und trug mit Bleistift eine Zahl ein, ehe er sich einem anderen Teil des Buchs zuwandte. »Meiner Ansicht nach ist das Ganze nicht so schlimm, wie es aussieht. Wir haben genug Zeugen, die bestätigen können, daß Jaffe noch in dieser Woche gesund und munter war. Von dem Geld, das Mrs. Jaffe bereits ausgegeben hat, werden wir nie einen Penny zu sehen bekommen — das können wir also abschreiben — , aber wir können uns mit dem Rest zufriedengeben und den Verlust vergessen.« Er sah auf. »Das dürfte das Ende der Affäre sein. Sie wird kaum noch einmal fünf Jahre warten und dann von neuem Forderungen stellen.«
    »Wo wurde das Boot gefunden?«
    Er begann zu schreiben und sagte, ohne aufzusehen: »Ein Tanker hatte es gestern

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