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Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer

Titel: Kinsey Millhone 15 - Gefaehrliche Briefe O wie Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
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was.«
    »Scheint so.«
    Nachdem ich meine Hexenkünste demonstriert hatte, fuhr ich zurück über den Freeway, bog rechts in die Seitenstraße ein und dann auf den Parkplatz der Gärtnerei. Ich parkte vor dem Gartencenter, das inzwischen geschlossen hatte und in kaltem, fluoreszierendem Licht vor uns lag. Ich schloss den Wagen ab, schlang mir die Tasche über die Schulter und folgte Carlin Duffy, der den mit Mulch bedeckten Weg entlangging. Es war, als beträte man einen tiefen, planvoll angelegten Wald. Breite Alleen durchschnitten in gleichen Abständen aufgestellte Bäume jeder nur denkbaren Art in einzelnen Kisten. Die meisten waren in der Dunkelheit nicht zu erkennen, aber manche Formen waren eindeutig. Ich konnte Palmen und Weiden identifizieren, Zederzypressen, Immergrüne Eichen und Kiefern. Die meisten der anderen Bäume kannte ich nicht mit Namen — reihenweise struppige Silhouetten, die im Wind rauschten.
    Duffy schien seine Umgebung gar nicht wahrzunehmen. Er trottete von einer finsteren Gasse zur nächsten, die Schultern in der Nachtluft hochgezogen, während ich etwa zehn Schritte hinter ihm herging. Er blieb stehen, als wir am Schuppen anlangten, und fischte in seiner Jackentasche nach den Schlüsseln. Die Außenseite war mit Brettern verschalt und dunkelgrün gestrichen. Das Dach war flach, und ich konnte nur ein Fenster sehen. Er ließ das Vorhängeschloss aufschnappen und ging hinein. Ich wartete, bis er Licht gemacht hatte, und folgte ihm. Der Schuppen maß etwa neun mal zwölf Meter und war in vier kleine Räume unterteilt, die zur Unterbringung von zwei Gabelstaplern, einem Minitraktor und einem Kran genutzt wurden, die wohl zum Pflanzen junger Bäume dienten. Sämtliche schwereren Arbeiten hätten größere Geräte erfordert, die vermutlich nach Bedarf gemietet wurden.
    Die Innenwände waren unisoliert, und der Boden aus Erde und Schlacke knirschte unter unseren Füßen. Einer der Räume war mit Planen und Decken aus dem Army-Laden ausgestaltet, die von oben herabhingen und eine zeltartige Innenstruktur bildeten. Drinnen konnte ich eine Pritsche aus Holz und Segeltuch erkennen, an deren einem Ende ein zusammengerollter Schlafsack lag. Wir betraten den Raum, dessen Beleuchtung aus einer nackten Sechzigwattbirne bestand. Außerdem gab es einen Heizstrahler, einen Kocher mit zwei Platten und einen Minikühlschrank, der etwa so groß war wie ein Zwölferpack Bier. Duffys Klamotten hingen an einer Reihe von Nägeln, die in die Seitenwand gehauen worden waren: Jeans, eine Bomberjacke, ein Wollhemd, eine schwarze Lederhose, eine schwarze Lederweste und zwei Sweatshirts. Da ich von Natur aus heikel bin, fiel mir zwangsläufig auf, dass nirgends frische Unterwäsche und eine Gelegenheit, sich zu waschen und die Zähne zu putzen, zu sehen war. Irgendwie war er nicht unbedingt ein Typ, mit dem man in einem kleinen, unbelüfteten Raum eine längere Unterredung führen wollte.
    »Gemütlich«, sagte ich.
    »Es tut’s. Sie können sich auf die Pritsche setzen, und ich nehme das da.«
    Er stellte die braune Papiertüte auf eine Orangenkiste und nahm die Sixpacks heraus. Er machte zwei Flaschen los, stellte einige in seinen Minikühlschrank und den Rest obendrauf. Dann fasste er in seine Tasche, zog einen Flaschenöffner heraus und hob die Kronkorken ab. Er stellte seine Flasche so lange beiseite, wie er brauchte, um die Tüte Chips und eine Dose Bohnendip aufzumachen, was er mir beides hinhielt. Ich nahm mir eine Hand voll Chips, legte sie mir auf den Schoss und griff nach der Dose, damit ich mir von dem Dip nehmen konnte.
    »Wollen Sie einen Pappteller dafür?«
    »Es geht schon.«
    Nachdem er die Orangenkiste abgeräumt hatte, benutzte er sie als Hocker, indem er sich darauf setzte. Er machte die Schachtel mit Zucker überzogenem Lakritz auf, warf sich zwei Stück in den Mund und schlürfte mit einem kleinen Seufzer des Entzückens Bier durch die Zähne. Schon bald wären seine Zähne und seine Zunge schwärzer als Ruß. Er beugte sich herüber und stellte den kleinen elektrischen Heizstrahler an. Fast sofort glühten die Spiralen rot, und das Metall begann zu ticken. Der schmale Streifen überhitzter Luft ließ den Rest des Raums im Kontrast dazu wesentlich kälter wirken. Ich muss gestehen, dieser »Raum im Raum« hatte etwas Anheimelndes an sich. Er erinnerte mich an die »Häuser«, die ich als Kind aus Decken, Tischen und umgekippten Stühlen gebaut habe.
    »Wie haben Sie mich gefunden?«, wollte er

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