Kinsey Millhone 17 - Totenstille - Q wie Quittung
her – 230-Gramm oder 280-Gramm naturfarben. Wenn ich Sie Ihnen zeigen würde, glauben Sie, dass Sie dann den Unterschied erkennen würden?«
»Ich kann’s versuchen.«
»Übrigens, ich heiße Elfreida.«
»Kinsey. Danke, dass Sie sich die Zeit nehmen.«
Ich folgte ihr, als sie hinter dem Tresen hervorkam und über den nackten Fußboden zu einem großen Arbeitstisch klackerte, auf dem nebeneinander zwei Stapel gefaltete Segeltuchplanen lagen. Sie nahm von jedem Stapel eine Plane und faltete beide über den Tisch hinweg auseinander, wobei sie sie herumwedelte wie Bettlaken, um die Falten herauszuschütteln. »Kommt Ihnen irgendwas bekannt vor?«
»Die da, glaube ich«, sagte ich und deutete auf die leichtere der beiden.
»Hier kommt der Clou«, sagte sie, hielt eine Kante in die Höhe und zeigte mir die rote Saumnaht mit dem kleinen roten Quadrat in der Ecke. »Das ist zwar kein richtiges Markenzeichen, aber wir nähen es auf alle unsere Produkte.«
»Oh, wow. Ich kann mich an das rote Quadrat auf der Plane erinnern, die wir haben.«
»Es ist eigentlich kein Quadrat. Es ist eine Raute.«
»Nach dem ›Diamond‹ im Firmennamen«, sagte ich.
Sie lächelte. »Natürlich sagt Ihnen das nichts darüber, wo sie gekauft worden ist. Es könnte hier in Quorum gewesen sein, aber auch irgendwo anders. Das Problem ist, dass wir an Farbengeschäfte und Eisenwarenläden im ganzen Land liefern, außerdem an Ketten wie Target und Kmart. Ausgeschlossen, dass Sie je den Kaufort rausfinden. So was kodieren wir nicht.«
»Wer kauft die denn?«
»In erster Linie Malerbetriebe. Der durchschnittliche Hausbesitzer kauft sich normalerweise eine Plastikplane, die er wegwerfen kann, wenn er fertig ist. Das macht die Arbeit leichter. Man wirft das Ding in den Müll und ist fertig. Wenn man aber ein professionelles Malergeschäft hat, braucht man etwas, das man mehr als einmal verwenden kann. Die hier sind robust. Die halten jahrelang.« Sie redete weiter, doch ich merkte, wie ich an der Sache mit dem Malergeschäft hängen blieb. Wo war ich auf die Erwähnung eines Malergeschäfts gestoßen? Ich war mir sicher, dass ich in einem der Berichte des Bezirkssheriffs einen Maler aufgeführt gesehen hatte. Elfreida sagte: »Jetzt sind Sie mir wohl irgendwo verloren gegangen.«
»Entschuldigung. Alles in Ordnung. Mir ist nur gerade eingefallen, wo mir ein Malerbetrieb untergekommen ist. Ich muss der Sache mal nachgehen. Vielen herzlichen Dank. Sie haben mir mehr geholfen, als Sie sich vorstellen können.«
2O
Ich verließ die Firma Diamond und fuhr zum Motel zurück. Der Wagen vom Putzdienst stand vor meinem Zimmer. Das Zimmermädchen hatte mein Bett abgezogen und nutzte den Haufen benutzter Bettwäsche dazu, die Tür offen zu halten, während sie drinnen ihrer Arbeit nachging. Ich spähte hinein und versuchte zu ergründen, wie weit sie ungefähr war. Meine mit Plastik überzogene Matratze war nackt, und am Fußende des Betts lag ein Stapel frischer Bettwäsche. Ich hörte das Mädchen im Badezimmer herumwerkeln. Sie hatte ein Kofferradio bei sich, das auf einen spanischsprachigen Sender eingestellt war. Am Anrufbeantworter auf meinem Nachttisch blinkte das Lämpchen. Es gab also eine neue Nachricht. Ich hörte die Toilettenspülung, dann kam das Zimmermädchen mit meinem feuchten Handtuch auf dem Arm heraus, in der anderen Hand einen Behälter mit Putzmitteln.
Ich sagte: »Oh, hi. Tut mir Leid, wenn ich störe. Wie lang brauchen Sie denn noch?«
Sie lächelte breit und antwortete: »Okay. Si. Un momento.«
»Ich komme später wieder«, sagte ich, trottete über den Parkplatz zum Büro und ging hinein.
Die Rezeptionistin hockte auf ihrem Drehstuhl und kaute immer noch Bubblegum. Ihr Rock war hochgerutscht, und sie ließ einen Fuß hin und her baumeln, während sie die inneren Seiten des National Enquirer las.
»Mein Anrufbeantworter blinkt. Können Sie mir sagen, wer angerufen hat?«
»Woher soll ich das wissen? Nehmen Sie den Hörer ab und wählen Sie die 6.« »Das Zimmermädchen ist gerade drinnen, deshalb frage ich Sie.«
Der Blick, den sie mir zuwarf, sagte, dass sie sich schwer ausgenützt fühlte. » Zimmernummer?«
Mit übertriebener Geduld legte sie die Zeitung beiseite, drehte sich auf ihrem Stuhl zum Computer um, tippte etwas ein und las das Ergebnis vom Bildschirm ab. Sie kaute kurz auf ihrem Kaugummi, dann hellte sich ihre Miene auf. »Ach ja. Jetzt fällt’s mir wieder sein. Sie haben einen Anruf von einem
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