Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt - R wie Rache

Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt - R wie Rache

Titel: Kinsey Millhone 18 - Ausgespielt - R wie Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
Kopf. Ich beschloss, auf einen Sprung zu Rosie zu gehen, weniger um des schlechten Weins als vielmehr um eines Tapetenwechsels willen.
    Zu meinem Erstaunen war der erste Mensch, den ich dort sah, Henrys älterer Bruder Lewis, der in Michigan lebt. Er stand hinter der Bar, hatte sein Jackett abgelegt, die Hemdsärmel bis zu den Ellbogen hochgekrempelt und die Arme in schaumiges Wasser gesteckt, in dem er Gläser und Bierkrüge spülte. Ich trat an den Tresen. »Na, das ist ja eine Überraschung«, begrüßte ich ihn. »Wie kommst du denn hierher?«
    Lächelnd blickte er auf. »Ich bin heute Nachmittag mit dem Flugzeug gekommen. William hat mich am Flughafen abgeholt und postwendend zum Arbeiten abkommandiert.«
    »Und was führt dich hierher?«
    »Nichts Besonderes. Ich wollte einfach mal was anderes sehen. Es war ein ganz spontaner Entschluss. Charlie hatte zu tun, und Nell hatte keine Lust, also habe ich einen Platz gebucht und bin allein losgeflogen. Reisen erfrischt mich. Ich bin zu allen Schandtaten bereit«, erklärte er.
    »Freut mich für dich. Und wie lange willst du bleiben?«
    »Bis Sonntag. Ich schlafe bei William und Rosie. Deshalb hat mir William auch gezeigt, wie ich mich hinter der Bar nützlich machen und mir Kost und Logis verdienen kann.« »Weiß Henry, dass du hier bist?«
    »Noch nicht, aber ich rufe ihn an, sobald mir William eine Pause genehmigt.«
    Er spülte den letzten Bierkrug und stellte ihn zum Trocknen auf ein Gestell, ehe er sich die Hände an dem weißen Handtuch abtrocknete, das er sich in den Hosenbund gesteckt hatte. Er legte eine Cocktailserviette vor mir auf den Tresen und schaltete auf Barkeeper um. »Was willst du trinken? Wenn ich mich recht erinnere, magst du am liebsten Chardonnay.«
    »Gib mir lieber ein Cola. Rosie hat den ›Weinhändler‹ gewechselt, obwohl diese Bezeichnung kaum zutrifft. Der Wein, den sie ausschenkt, ist so dezent wie Lösungsmittel.«
    Er schenkte mir ein Glas Cola ein und stellte es vor mich hin. Für einen Herrn von neunundachtzig Jahren war er die Tüchtigkeit in Person, und er hantierte schnell und lässig. Wenn man ihm zusah, hatte man den Eindruck, als stünde er schon sein Leben lang hinter der Bar.
    »Danke.«
    »Gern geschehen. Das geht auf meine Rechnung.«
    »Hey, das ist aber nett von dir. Vielen Dank.«
    Ich sah ihm zu, wie er ans andere Ende des Tresens schlenderte, um dort einen anderen Gast zu bedienen. Was war hier los? Lewis war noch nie unangekündigt hierher geflogen. Hatte William ihn dazu angeregt? Das war ja wohl keine gute Idee. Ich wandte mich um und musterte über die Schulter die wenigen Gäste. Meine Lieblingsnische war besetzt, doch es gab jede Menge andere freie Plätze. Ich nahm mein Cola und ging zu einem Tisch in der Nähe der Tür. Jedes Mal, wenn sie sich öffnete, kam frische Luft herein und verdünnte den angestauten Zigarettenrauch, der wie Nebel im Raum hing. Mir war klar, dass ich beim Nachhausekommen trotzdem wie ein Schornstein riechen würde und meine Kleider über Nacht an die Duschstange hängen müsste, um den Gestank aus ihnen rauszukriegen. Meine Haare stanken mittlerweile garantiert auch, aber sie sind zu kurz, als dass ich mir eine Strähne unter die Nase halten könnte. Raucher hören sich diese kleinlichen Klagen an, als hätte unsereiner die Beschwerden nur erfunden, um sie zu ärgern und zu beleidigen.
    Kaum hatte ich Platz genommen, als ich erneut den willkommenen Luftzug verspürte, der mir signalisierte, dass jemand hereingekommen war. In der Tür stand Cheney Phillips. Mich durchzuckte ein Ruck, der ein ähnliches Gefühl auslöste, wie wenn man in einem Flugzeug sitzt und sich gerade fragt, ob dies der letzte Flug ist, den man je erleben wird. Cheney musterte die anderen Gäste und hielt offenbar Ausschau nach jemandem, der noch nicht da war. Seine Kleidung zeigte die gewohnte Verbindung aus teuren Stoffen und gutem Schneiderhandwerk. Am liebsten trug er frisch gebügelte weiße Hemden oder seidene Polohemden in Farbtönen wie Elfenbein oder Eierschale. Gelegentlich kleidete er sich auch Ton in Ton, meistens in dunklen Farben, die ihm ein leicht düsteres Aussehen verliehen. Heute Abend trug er ein zimtfarbenes Rohseidensakko über einem rostfarbenen Kaschmir-Rolli. Ich hob grüßend die Hand, während ich mir überlegte, ob der Pullover wohl so weich war, wie er aussah. Cheney kam an meinen Tisch geschlendert und zog sich einen Stuhl heraus. »Hallo, wie geht’s denn so? Darf ich mich

Weitere Kostenlose Bücher