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Kiosk

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Titel: Kiosk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Werz
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überweisen Sie die letzten beiden Mieten, Frau Hilger? Dreitausend Mark sind auch kein Pappenstiel für mich.«
    Karla spürt ein Brennen ihren Rücken heraufkriechen, sie hofft inständig, daß Lena nicht hinter dem Vorhang steht und lauscht. Aber Lena lauscht.
    Karla hofft auch, daß Lena den Familiennamen nicht verstanden hat.
    Aber Lena hat verstanden. Hilger wie der Jakob. Sie sieht, daß auch die Quittländer den Namen verstanden hat und nur so tut, als höre sie nicht hin, während sie in ihrer Tasche nach Pfefferminz gräbt.
    Hilger. Und von wegen Johanna. Karla heißt sie. Karla. Und kann ihre Miete nicht zahlen. Mit ihrem Lächeln wird der Krahwinkel sich nicht lange zufrieden geben. Nicht einmal mit diesem Lächeln, das richtig hübsch ist.
    Lena gräbt die Hände in den Vorhang. Jetzt dämmert ihr alles. Der Antiquar weiß es auch. Warum hat er ihr nichts gesagt?
    Sie muß zu ihm rauf. Er muß ihr sagen, was zu tun ist. Das ist er ihr schuldig. Oder dem Jakob. Jakob, das war nicht nett von dir, wirklich nicht nett, sinniert Lena traurig, als sie sacht die Stahltür zum Kiosk hinter sich zuzieht.

9
    B uddy trinkt Himmel. Dunklen, lauschigen Himmel und das stumpfe Tuckern der Schleppkähne. Jetzt ist Nacht, er sitzt am Rhein und füllt den Mund mit brackiger Flußluft. Die Cappuccino-Gischt aus dem Drogeriemarkt hat ihn süchtig gemacht, ans Wasser zu gehen. Er liebt Wasser. Er trinkt es auch gern, lieber als Schnaps, den trinkt er nur wegen der Wirkung, des Geschmacks wegen immer nur Wasser.
    Buddy hat die Schuhe ausgezogen, sitzt auf blankem, schwarzem Stein und hält die Füße in den Rhein. Barfuß kann er besser denken. Der Fluß führt leichtes Hochwasser. Die Strömung streicht um seine Fesseln, links von ihm pfeift ein Güterzug über die Brücke, läßt die Gleise singen und den Nachthimmel schwirren. Zur Beruhigung denkt sich Buddy ein paar Sterne hinein.
    Einen Abglanz von Gold trägt er seit gestern im Kopf, das hilft ihm dabei. Das Gold hat er auf dem Grundstück gesehen. Einen gezackten Drachenschwanz, oder sind es Hörner? Er hascht nach dem Bild, aber das Gold will nicht mehr glänzen in seinem Kopf, er hat es ja schon auf die Sterne verschwendet, die er jetzt über sich blinken sieht. Da hilft nichts, er muß wieder zurück, das Gold noch mal anschauen, dann kann er vielleicht entscheiden, ob es ein Drachenschwanz ist oder ob es Hörner sind. Der Antiquar wüßte Bescheid. Für so was muß es doch ein Wort geben. Ganz bestimmt. Er steht auf, schüttelt das Wasser von den klammen Zehen.
    Nasse Flußkiesel bohren sich glatt in seine Fußsohlen und bringen ihm die Gedanken durcheinander. So durcheinander, daß er die Schuhe vergißt. Natürlich gucken die Leute, die ihm auf dem Rückweg begegnen, und sehen schnell weg, denken übers rohe Elend der Menschen nach. Ein betrunkener Nachtschwärmer bietet ihm sogar Geld. Buddy lehnt ab, Geld hat er doch. Zur Zeit. Die Leute können nicht wissen, daß er über goldene Drachenschwänze nachdenkt und glücklich ist. Lenchen hat recht. Man kann den Leuten nur vor die Stirn gucken. Eine Stunde später langt Buddy barfuß auf dem Kattenbug an.
    »Da sieht man mal wieder, was für ein Depp du bist«, raunzt der Dachdecker ihn an. Seit zwei Stunden wartet er schon. Bald ist Mitternacht, und er hat erst drei Rohre vom Trümmergrundstück losschlagen können und in den Flur der Metzgerei rübergezerrt. Bei zweien hat ihm der Kwiatkowski noch geholfen, dann mußte der ins Atelier zurück.
    Schöne Kumpel, die er da durchzieht. Der Kalle ist um die Häuser. Buddy geht barfuß durch die Nacht. Man darf den beiden eben kein Geld in die Hand geben, greifen zu und geben’s aus. Immer der gleiche Ärger, die bringen’s nie zu was.
    Buddy findet die Rohre enttäuschend, aber weil er gern tut, was man ihm sagt, zieht er die Gummistiefel an, die im schwarz-weiß-gefliesten Metzgerflur stehen, und schlurft hinter dem Dachdecker rüber zur Baustelle.
    »Da gibt’s noch jede Menge zu holen, Kumpel, wir dürfen nur keinen Krach machen, dann ist es aus mit dem Prophet.« Er meint Profit.
    Buddy findet den Klang von Prophet sehr schön, paßt aber leider nicht zu dem namenlosen Goldglanz. Dem Dachdecker will er ihn nicht zeigen, sonst schleppt der ihn mit den häßlichen Rohren weg, ohne ein Wort drüber zu verlieren.
    Nach dem zehnten Rohr hat der Dachdecker Durst, und Buddy ist es leid, das schrappende Metall über die bucklige, widerspenstige Erde zu schleifen. Er

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