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Kirschholz und alte Gefühle: Roman (German Edition)

Kirschholz und alte Gefühle: Roman (German Edition)

Titel: Kirschholz und alte Gefühle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marica Bodrožić
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einsam. Das Kind lächelte. Mein Körper fühlte sich bleiern an, eine dumpfe Schwere lag mir in den Knochen. In meiner Stirn, das Picken der wilden Vögel. Alles hörte sich laut an, jeder Schritt, jedes Wort, jedes Abbremsen der Autos unten in unserer Straße. Die Trauer überfiel mich wie ein dunkler Vorhang, herausgeschnitten aus der Mitte der Nacht, gemacht aus einer festgezurrten Dunkelheit, der ich ausgeliefert war. Ein Hase vor dem listigen Wirken der Schlange. Aus Ariks Wohnung holte ich den Kinderwagen, den er in der Bretagne gekauft hatte. Er hatte gesagt, es sei eine Art Porsche unter den Kinderwagen, jetzt aber waren ihm das Kind und der Porsche egal, Arik hatte andere Entscheidungen getroffen, andere Ideen, Plätze, Orte, Menschen waren ihm wichtig. Er würde immer so bleiben und immer unterwegs von einem flirrenden neuen Weg zu einem anderen, unbekannten Ort sein. Niemals würde er einen Weg bis zum Ende gehen, niemals würde er sehen können, was sich am Ende eines solchen Weges befindet. Und ich? War ich dazu in der Lage? Langsam dämmerte mir, dass sein Mangel etwas mit meinen Lücken zu tun hatte. Und das lähmte mich so sehr, dass ich mich dem Hier und Jetzt geradezu vollständig verweigerte.
    Ich traf mich dennoch fast jeden Tag mit Mischa Weisband, er bestand darauf, frische Luft, ein Spaziergang, da lasse er nicht mit sich reden. Das Kind ließ ich geradezu gerne bei Hiromi. Das Ausmaß meiner Kälte fiel mir aber selbst nicht auf, obwohl ich wusste, dass ich mich falsch verhielt, dass etwas in mir gespalten war, wie ein Holzscheit, der seinem Schicksal nicht entkommen konnte. Hiromis Blick sagte es mir, zugleich nahm sie sich gerne des Kindes an, und ich hörte auch nie einen Vorwurf aus ihrem Munde.
    Mischa und ich aßen mittags bei Sophie zusammen und manchmal kam Dora auch mit, streichelte mein Haar und sagte, ach meine Kleine, das Leben ist keine Sonnenuhr. Als wir wieder einmal allein waren, sprach Mischa dann vorsichtig etwas an, das auch mir durch den Kopf gegangen war. Adoption. Er schlug mir vor, den Jungen zur Adoption freizugeben. Er kannte in Bièvres ein junges Paar, entfernte Verwandte, die sich ein Kind wünschten. Das Wort Adoption setzte sich in meinem Kopf fest. Wenn ich es weggebe, dachte ich, werde ich auch nach Berlin gehen, zu Nadeshda, sie wird da sein, wird in Berlin auf mich warten und mir helfen. Merkwürdigerweise überlegte ich nicht lange. Ich beschloss aber, Arik anzurufen und ihm meine Entscheidung mitzuteilen. Ich hatte ihn in der Brétagne vermutet, aber er nahm an der Place Dauphine ab. Einen kleinen Funken Hoffnung hatte ich noch in mir, dass er nein sagen, dass er sich widersetzen würde und wir es miteinander noch einmal versuchen würden, nur dieses Mal richtig und zusammen mit unserem Kind. Mischa hatte sich schon mit seinen Verwandten getroffen. Den alles verändernden Satz hatte ich noch nicht laut ausgesprochen, hatte nicht gesagt, dass ich mein Kind zur Adoption freigeben würde.
    Ich schlug Arik vor, dass wir uns in einem Café trafen. Aber er hatte keine Zeit und bestand darauf, dass ich ihm am Telefon sagen sollte, was los sei. Als ich es erzählte, fing seine Stimme an zu zittern, und er sagte, ich bitte dich, behalt’ es doch. Ich legte auf und hatte das Gefühl, zum ersten Mal, seitdem wir uns kannten, Angst in seiner Stimme gehört zu haben, eine tief in seinen Eingeweiden sitzende Angst, die er, da sie ihn selbst überraschte, zu verstecken versuchte. Ich schwieg, dachte an die junge Frau aus Montréal, die er in den Wäldern von Versailles kennengelernt und mit der er einen Sohn hatte. Er zahlte ihr regelmäßig Geld, besuchte sie gelegentlich in Kanada. Ich bin mir sicher, dass er mich nur deshalb ins Vertrauen gezogen hatte, weil die Kanadierin ihn bei seinem letzten Besuch wieder weggeschickt und ihm gesagt hatte, dass er nicht mehr zu kommen brauche. Sie wollte auch kein Geld mehr von ihm.
    Ich ging zu ihm. Er saß in seiner Küche. Ich kam gerade herein, als er hemmungslos Schnaps aus der Flasche trank. Er war halb ausgezogen, stand in Unterwäsche da, entsetzt wie eine der Bettlerinnen auf der Straße, die ich beim Lügen erwischt hatte. Nur dass Arik hier alles andere als lügen konnte. Er saß da mit der Schnapsflasche und alle Masken waren von ihm abgefallen. Über das Kind wollte er nun doch nicht reden. Stattdessen erzählte er mir von seiner Mutter, sagte, dass sie an seinem zwanzigsten Geburtstag gestorben sei. Seinen Vater

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