Kirschroter Sommer (German Edition)
vor.
Brummig gab ich ihm mein Einverständnis, weil ich mir mit nur einer gesunden Hand bei dem steifen Jeans-Stoff äußerst schwer getan hätte. Ich konnte von Glück reden, mir heute Morgen noch schnell die Beine rasiert zu haben.
Vorsichtig zog er mir den Schuh aus und stellte meinen Fuß auf seinen Schoß. Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete ich, wie er seine Finger um meinen Hosensaum schlang und ihn langsam – wohlgemerkt viel zu langsam – hochkrempelte. Ich bekam ein komisches Gefühl dabei und was mir auch nicht gefiel, war die Art und Weise, wie er mein Bein – zumindest das, was er bereits davon freigelegt hatte – ansah. Hatten sie das menschliche Bein im Medizinstudium noch nicht durchgenommen oder war er hungrig?
Illegaler Gliedmaßenhandel , rauschte es mir durch den Kopf. Oder verwechselte ich das mit Organhandel? Egal, irgend so was in der Art … Es war jedenfalls besser, ihn im Auge zu behalten.
Ich seufzte. Herrgott, warum stellte ich mich nur so schrecklich an? Es war schließlich nur meine blöde Jeans, die er mir hochkrempelte und nicht mein Slip, den er mir auszog!
Elyas schob die Hose übers Knie, legte seine Hände rechts und links neben die Wunde und betrachtete sie genauer. Doch ehrlich gesagt interessierte mich meine Verletzung gerade herzlich wenig, weil ich viel zu sehr mit dem unangenehmen Gefühl beschäftigt war, das seine Hände auf meiner Haut auslösten. Mein Herzschlag erhöhte sich. Letzteres war aber bestimmt auf den Schock von dem Unfall zurückzuführen. Nein, nicht »bestimmt«, sondern hundertprozentig! Ach Quatsch, tausendprozentig!
Verdammt, ich hasste mich für dieses blöde Gefühl …
Er ist ein Arsch, er ist ein Arsch, er ist ein Arsch, rief ich mir in Erinnerung.
»Das ist nur eine Schürfwunde, wenn auch eine ziemlich große«, diagnostizierte er und blickte zu mir auf. »Warum guckst du so böse?« Er runzelte die Stirn.
Guckte ich böse? Meinen angespannten Gesichtsmuskeln nach zu urteilen, offenbar ja.
»Ist ein Reflex, wenn du in meiner Nähe bist«, murmelte ich.
Sein Mundwinkel zuckte nach oben. »Ich bin gerne in deiner Nähe.«
»Ja, leider«, sagte ich, was ihm schon wieder das nächste Schmunzeln abrang.
»Wie dem auch sei«, begann er, »du scheinst dich ordentlich geprellt zu haben. Tut sicher weh.«
»Geht.«
»Besonders zimperlich bist du nicht, hm?«
»Nein, und ich heule auch nicht, wenn ich mir einen Fingernagel abbreche. So viel dazu, kann ich jetzt meine Hose wieder runterziehen?«
Er zog eine Augenbraue nach oben. »Es muss wirklich schrecklich sein, halb nackt vor mir zu sitzen.«
»Und wenn ich nur ein Fünftel nackt bin – ja, es ist schrecklich! Bist du jetzt fertig oder nicht?«
»Nein, bin ich nicht. Die Wunde muss noch gereinigt werden«, entgegnete er zu meinem Verdruss, bevor er wieder auf das andere Thema zurückkam. »Und was ist daran so schrecklich, dass ich dich verarzte?«
Das wurden mir echt langsam zu viele blöde Fragen!
»Es passt einfach nicht! Erst schubst du mich vors Fahrrad und dann kommst du mit einem Pflasterchen angerannt.«
Er lachte. »Jetzt habe ich dich schon vors Fahrrad geschubst ?«
»Indirekt«, nickte ich überzeugt, weshalb er lächelnd den Kopf schüttelte und sich wieder meinem Bein widmete. Ich schluckte, als er auch diese offene Wunde mit Alkohol abtupfte und sie im Anschluss mit derselben, kühlenden Salbe einrieb.
Als ich schon die Hoffnung hegte, es jetzt endgültig hinter mir zu haben, spürte ich auf einmal seine Fingerspitzen mein nacktes Schienbein hinabgleiten. Kurz um, seine Finger waren dort, wo sie definitiv nichts zu suchen hatten und lösten erneut dieses komische Gefühl aus.
»Fertig?«, drängelte ich.
»Ja«, seufzte er und fügte sanft »Leider«, hinzu.
Von wegen leider. Zum Glück , konnte ich da nur sagen.
»Aber bei Gelegenheit musst du mir unbedingt mal die zweite Hälfte von deinem Bein zeigen. Die erste hat mit schon mal gefallen.«
»Träum weiter«, grummelte ich. In diesem Moment sprang die Tür auf und Eva platzte ins Zimmer. Als sie mich und Elyas erblickte, der immer noch vor mir kniete und mein Bein in den Händen hielt, erstarrte sie innerhalb einer Sekunde zur Salzsäule. Die Situation schien einen falschen Eindruck bei ihr zu erwecken, denn nachdem sie hektisch »Ich habe nichts gesehen!«, ausgerufen hatte, machte sie wie vom Blitz getroffen auf dem Absatz kehrt und stürmte aus dem Zimmer.
Gleichermaßen kritisch blickten Elyas
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