Kismet Knight – Vampire lieben länger / Roman
Hätte ich doch nur lange genug aufhören können, über Devereux’ hormonputschende Erscheinung nachzudenken, wäre ich vielleicht in der Lage gewesen, meine Sachen zusammenzuraffen! »Verflucht!« Wieder knallte ich die Faust auf den Tisch. »Ich wünschte, ich hätte mal eine Minute an mich selbst denken können! Eben ging es hier noch zu wie auf dem Vampirhauptbahnhof, und wo ist jetzt ein Vampir, wenn ich einen brauche?«
Ich konnte mich sogar haargenau erinnern, wo meine Sachen in der Praxis waren.
Sobald ich sie mir genau vorgestellt hatte, fühlte ich ein vertrautes Rauschen, und schon fand ich mich in meiner Praxis wieder. Nun ja, ich sollte wohl der Vollständigkeit halber erwähnen, dass ich lang ausgestreckt auf dem Praxisboden lag. Es war, als hätte jemand eine kosmische Tür geöffnet und mich mit einem Arschtritt hindurchbefördert.
Verdutzt setzte ich mich auf und sah mich um. Ich war neben dem Schreibtisch gelandet, auf dem meine Tasche und die Handtasche lagen. Anscheinend brauchte ich mir bloß vorzustellen, wo ich gern wäre, und schon landete ich dort. Ich klopfte mich ab, weil ich sicher sein wollte, dass alles von mir hier angekommen und in der richtigen Reihenfolge erschienen war.
Nachdem ich mir ein paar Sekunden lang mental den Kopf gekratzt hatte, brach ich in schallendes Gelächter aus. Devereux würde einen Schlaganfall bekommen, wenn er das hier erfuhr! Na ja, vielleicht keinen Schlaganfall, denn dafür hätte er ja lebendig sein müssen, aber die Untoten-Variante davon dürfte ihn allemal ereilen. Die Vorstellung, dass seine schicksalbestimmte Geliebte ihre eigenen Fähigkeiten entwickelt hatte und imstande sein könnte, im Alltag ohne seine fortwährenden Einmischungen zu überleben, war für ihn so erstrebenswert wie ein gebrochener Reißzahn.
Aber mein Lachen verklang nach einer Weile, und ich wurde ernster. Ich hatte gerade etwas Unmögliches getan, und mein vorsichtiges Ich schürzte die Lippen und zeigte auf mich. Diese Kismet fand das alles gar nicht witzig und fragte sich misstrauisch, woher die neuen Fähigkeiten stammten. Sie meinte, dass ich umgehend Devereux anrufen und ihm von dieser überraschenden Entwicklung erzählen sollte. Sie war besorgt.
Wow! Das wird echt verrückt. Sie? Ist sie nicht ich? Ich sollte unbedingt Devereux anrufen!
Aber nicht alles von mir stimmte dem zu. Inmitten der Angst drängte sich eine andere Meinung in den Vordergrund, und ich ertappte mich dabei, dass ich lächelte, als würden meine Gesichtsmuskeln einem eigenen Willen gehorchen.
Wieso Devereux davon erzählen? Ja, der schockierte Ausdruck auf seinem Gesicht wäre gewiss lustig, und zweifellos konnten seine Ausbrüche sehr aufregend sein, aber mit diesem Trumpf in der Hand? Warum sollte ich ihm verraten, dass sich der Lauf der Dinge radikal verändern würde? In mir regte sich ein bis dato ungekanntes Selbstbewusstsein.
Okay. Die Tatsache, dass meine neuen Fähigkeiten angeblich dem Einfluss von Hal … zu verdanken waren, dem uralten Vampir, den Devereux erwähnte, war beunruhigend. Diesen Teil würde mein blonder Adonis am meisten hassen. Aber wer wusste denn, wie lange mein Airvampirticket noch gültig war? Sollte ich mir nicht ein wenig Freiheit sichern? Selbst wenn mir nicht behagte, wie ich zu dieser Fähigkeit kam – solange ich sie besaß, sollte ich sie doch nutzen, oder? Außerdem gab es dringlichere Probleme, denen ich mich widmen sollte: Ich musste herausfinden, ob dieses Gedankenreisen bei mir nur eine einmalige Sache war oder ich es noch ein bisschen länger behielt. Könnte ich mich auf demselben Weg wieder nach Hause bugsieren? Und konnte ich meine Aktentasche und meine Handtasche mitnehmen? Brennende Fragen. Aber wenn ich mich nach Hause beamte, stünde mein Wagen immer noch in der Tiefgarage. Sollte ich nicht den simplen Weg wählen und nach Hause fahren? Wie jeder gewöhnliche Mensch? Langweilig, aber praktisch.
Genau das tat ich.
Während der Fahrt dachte ich über die Gedankenreisen nach. Auch wenn es irrwitzig schien, war es eigentlich nicht bizarrer als die meisten anderen Phänomene der modernen Quantenphysik. Wenn man es genau nahm, hatte schon Einstein über diese Möglichkeit nachgegrübelt. Und dass Vampire Energie manipulieren konnten, hätte mich nicht weiter überraschen sollen. Nein, was
wirklich
verrückt war, war die Tatsache, dass es Vampire gab. Devereux hatte versprochen, mir die Geschichte vom allerersten Vampir zu erzählen, schaffte es
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