Kismet Knight – Vampire lieben länger / Roman
verachten. Das wollen wir beide nicht. Ich möchte hierbleiben, in meinem eigenen Haus, und meine eigenen Entscheidungen fällen.«
Er nahm meine Handgelenke und küsste mich auf beide Hände.
»Für eine intelligente Frau bist du unglaublich begriffsstutzig.«
Empört öffnete ich den Mund und schloss ihn wieder. Mit meiner erbärmlichen Fischimitation ging der Versuch einher, einen zusammenhängenden Satz zu formen. Schließlich zog ich meine Hände weg.
Devereux starrte auf mich hinab, als wäre ich ein ungezogenes Schulkind, das vom Direktor gemaßregelt wurde. »Du hast keine Ahnung, was dieser Wahnsinnige tun kann. Und statt auf mich zu hören – auf jemanden, der weiß, wozu diese Bestie fähig ist –, stellst du dich quer. Dein Widerstand kann uns beiden schaden. Also, bitte, sei vernünftig und komm mit mir!«
»Vernunft wird völlig überbewertet.«
Woher kam das? Ich wollte es nicht sagen. Das hier wird langsam unheimlich.
Sosehr Devereux’ Bevormundung mich störte, wurde meine bizarre Persönlichkeitsveränderung doch deutlich beängstigender. Ich fühlte mich, als wäre ich ohne Karte oder Kompass in einer unwirtlichen fremden Landschaft ausgesetzt worden. Wurde ich tatsächlich verrückt?
Ich wich zurück und kollidierte mit einem mir unbekannten Vampir, der gerade aus dem Nichts hinter mir erschienen war. Der Besucher reagierte nicht einmal darauf, dass ich ihm auf die Zehen trat.
Warten wir mal ab, wie viele Vampire wir noch in dieses Zimmer quetschen können.
»Meister, du wirst dringend gebraucht. Die Dinge entwickeln sich zum Schlechten. Sie rufen nach dir.«
Devereux bedachte den Neuankömmling mit einem vernichtenden Blick. »Ja, ja, ich komme! Sag ihnen, dass ich auf dem Weg bin!«
Der Bote verschwand, und ich überkreuzte meine Arme vor der Brust, was für mich ein deutliches Körpersprachesignal dafür war, dass diese Diskussion beendet war. Ich brauchte eine Auszeit.
»Nein, meine Liebe, die Diskussion ist nicht vorbei – noch lange nicht! Aber ich muss gehen. Versprich mir zumindest, dass du heute Nacht zu Hause bleibst!«
Statt ihm irgendetwas zu versprechen, lächelte ich nur.
Er murmelte etwas in einer fremden Sprache, die er manchmal benutzte, schüttelte den Kopf und war fort.
Auch wenn ich mitten in einem Nervenzusammenbruch steckte, musste ich die Möglichkeit eingestehen, dass er recht hatte, was meinen Widerstand betraf. Aber Devereux’ erdrückendes Verhalten hatte einen Punkt erreicht, an dem ich unbedingt Stellung beziehen musste, selbst wenn es selbstzerstörerisch, dickköpfig und blöd anmutete. Ich konnte mich nicht immerzu hinter ihm verstecken. Es war meine Entscheidung gewesen, mich auf die Vampir- und Möchtegernvampirwelten einzulassen, folglich wäre es unsinnig, jetzt in Deckung zu gehen und die unglückliche Maid zu mimen. Ich musste lernen, auf mich selbst aufzupassen, oder ich würde für den Rest meines Leben ein potenzielles Opfer abgeben.
Apropos »in Deckung gehen«: Hierzu fiel mir mein merkwürdiges Handgemenge mit Devereux wieder ein. Es hatte sich eindeutig etwas verändert. Ich hatte verbissen gekämpft, und nicht nur das, nein, ich hatte sogar eine sadistische Freude dabei empfunden, an seinem platinblonden Haar zu reißen. Meine Selbstkontrolle war ihrer Leine entkommen und lief Amok. Das war neu für mich, und ich wusste nicht, wie ich mich dabei fühlte. Aber ich hatte die Auseinandersetzung genossen.
War das allein nicht schon seltsam?
Nach dem Chaos in meinem Stadthaus kam mir das Alleinsein komisch vor. Die Stille drückte mir auf die Ohren, und die Dramatik entbehrende Atmosphäre schien mir eher leer als friedlich. War ich süchtig nach den Soaps der Blutsaugerwelt? Brauchte ich die neurochemische Achterbahnfahrt?
Mit diesen verstörenden Gedanken wanderte ich zu meinem Schreibtisch und setzte mich. Ausufernder Papierkram gehörte zu dem Beruf meiner Wahl, und so wühlte ich mich durch die Versicherungsformulare und Beratungsanfragen, als mir plötzlich einfiel, dass ich meine Tasche mit den Klientenakten in der Praxis gelassen hatte.
Mist! Wollte ich dahin zurückfahren, oder … Verdammt! Mein Führerschein steckte in meiner Handtasche, und die war ebenfalls noch in meiner Praxis. Mit diesem Einfall kam gleich die nächste Erkenntnis: Führerschein, haha! Mein
Wagen
stand auch noch dort! Ich knallte die Faust auf den Schreibtisch und stieß einen Urschrei aus. Wie gut, dass meine Nachbarn derzeit in Mexiko weilten.
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