Kismet Knight – Vampire lieben länger / Roman
Papierkram erledigte und mich dann mit Devereux darüber unterhielt, für eine Weile in sein Penthouse zu ziehen. Ja, das war die Lösung: Vorsicht. Vernünftige, reife Vorsicht. Ich musste verantwortungsvoll handeln. Wie eine kluge Therapeutin. Bei dem untoten Mörder geriet ich allerdings ins Schwimmen, und nichts als Elend käme dabei heraus, sollte ich mich ihm zugänglich machen, und wäre es nur unabsichtlich.
Ganz gleich, wie faszinierend ich die Untoten fand: Es gab keinen Grund, mich tiefer in die Vampirhorrorshow zu verstricken, als ich ohnehin schon drinsteckte. Vorsichtig zu sein, hatte nichts damit zu tun, dass ich meine Unabhängigkeit aufgab. Es ging ausschließlich darum, mein Überleben zu sichern. Ich war nicht gerade stolz darauf, dass ich bereits bis über beide Ohren im Schlamassel steckte. Ich war unsagbar naiv gewesen, zu glauben, dass ich mit einem Monster wie Hallow fertig würde. Doch zu meiner Verteidigung konnte ich anführen, dass ich bei unserer kurzen Begegnung eine Menge erfahren hatte. Die Vampirversion einer Psychose rangierte jenseits von allem, was das Psychologenestablishment bislang kannte, und nun saß ich in der ersten Reihe bei der Fallstudie des Jahrhunderts.
Ein blutsaugender Charles Manson.
Es war frustrierend, niemanden zu haben, mit dem ich über meine Erfahrungen diskutieren konnte. Mein professionelles Ich war fasziniert angesichts der verhaltenstherapeutisch relevanten Aspekte von Hallows Wahnsinn, aber mein persönliches Ich wollte sich unter dem Bett verstecken. Bekäme ich eine Klientin in derselben unglaublichen Situation, in der ich mich befand, was würde ich ihr sagen? Das war supersimpel. Ich würde ihr raten, dass sie das nächste Flugzeug nehmen und Denver verlassen sollte. Ich würde zwar nicht zum Flughafen hetzen, aber ich könnte mich physisch von der Freakshow entfernen.
Zum Glück war Devereux nicht Teil dessen, was ich hinter mir lassen wollte.
Nachdem ich das Problem theoretisch gelöst hatte, fegte ich mir die Brotkrumen von der Brust, hob meinen rosa Bademantel vom Wohnzimmerfußboden auf und zog ihn an. Ich knotete den Gürtel zu, ging an meinen Schreibtisch, um mit dem Papierkram anzufangen, und erstarrte. Meine Kopfhaut kribbelte, und vor meinen Augen verschwamm alles.
»Scheiß drauf! Ich gehe ins ›Crypt‹ und amüsiere mich!«
Scheiß drauf? Was?!
Mir war klar, dass die Worte aus meinem Mund gekommen waren, aber ich hatte nicht vorgehabt, sie zu sagen. Ich hatte noch nicht einmal etwas in dieser Richtung gedacht. Aber nun war es plötzlich ganz klar. Natürlich! Warum sollte ich denn zu Hause bleiben? Es gab gar keinen Anlass, über die Meinungen oder Taten irgendeines Vampirs nachzudenken. Ich war eine erwachsene, selbständige Frau, die ihre eigenen Entscheidungen treffen konnte.
Grinsend zog ich meinen Bademantel auf, drehte mich um und ging nach oben.
Das »Crypt« war ein Wunderland für Goths. Devereux hatte eine alte mehrstöckige Kirche in einen Spielplatz für Kinder der Dunkelheit verwandelt. Allein das riesige Gebäude mit seinen verschnörkelten Türmen, Giebeln und Bögen war eindrucksvoll. Architektonische Überraschungen in Gestalt fratzengesichtiger Skulpturen blickten aus den Ecken hinab, von Torbögen und aus verborgenen Nischen. Und schon die farbigen Fenster lohnten einen Besuch. Die ursprünglich religiösen Motive waren durch übernatürliche und paranormale ersetzt worden, so dass überall unheimliche Friedhofsszenen das vorherrschende Thema bildeten. Die und reichlich Blut.
Der Club hatte jede Nacht von der Abend- bis zur Morgendämmerung offen, und es herrschte immer Betrieb. In der Samstagnacht aber verlieh die Menge dem Ausdruck »gerammelt voll« eine gänzlich neue Dimension. Ich hatte meinen Wagen eine Straße weiter in der Tiefgarage meiner Praxis abgestellt und war bis zum »Crypt« gelaufen, weil ich es nicht erwarten konnte, mich ins Getümmel zu stürzen. Als ich mich dem Eingang näherte, wehte mir der übliche Geruch von Marihuana und anderen rauchbaren Substanzen entgegen, nebst dem intensiv pulsierenden Rhythmus der Heavy-Metal-Band, die drinnen aufrat und deren wummernde Bässe unter meinen Füßen vibrierten.
Eine Wolke von Grasrauch kitzelte in meiner Nase. Ich atmete ein, lächelte und begab mich zu einer Gruppe, die unter einer Straßenlaterne stand und an einem Joint zog. Es war lange her, seit ich high gewesen war, und mir fiel keine bessere Art ein, die Nacht zu beginnen.
Ich
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