Kismet Knight
verfärbten Haut, mit der ich gerechnet hatte, entdeckte ich nichts als die weiße Wölbung mit den blauen Äderchen wie sonst auch.
Ich stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, betrachtete das Spiel des Lichts auf der Wand gegenüber und fühlte mich benommen.
Es gab nur zwei mögliche Erklärungen für das, was zurzeit mit mir passierte: Entweder steckte ich mitten in einer Nervenkrise – vielleicht sogar einem Nervenzusammenbruch –, und die gesamte Abfolge von Ereignissen hatte lediglich in meinem überhitzten, überspannten kleinen Hirn stattgefunden. Oder ich hatte wirklich Zugang zu einer monströsen Welt gefunden, in der Vampire Blut tranken, in der Luft schwebten, meine Gedanken lasen und meinen Körper verführten.
Offen gestanden, ich hatte bei keiner der beiden Möglichkeiten die geringste Ahnung, wie ich damit umgehen sollte.
Mein Mund war so trocken wie eine Mondlandschaft und schmeckte, als hätte ich den Fußboden der Notaufnahme mit der Zunge aufgewischt.
Ein Erinnerungsfragment kam mir ins Bewusstsein getrieben und öffnete eine Pandorabüchse grässlicher Möglichkeiten.
Es war vollkommen ausgeschlossen, dass ich Blut getrunken hatte! Keinerlei Aussicht – nicht in diesem und nicht in einem beliebigen anderen Universum. Nicht, wenn jemand mich festgehalten und mir die Zähne auseinandergezwungen hätte. Igitt! Igitt, igitt!
Ich hielt mir die Handfläche vor den Mund, atmete aus und hätte fast gewürgt.
Nein! Ich musste einfach irgendetwas höchst Seltsames gegessen haben. Irgendetwas Widerliches. Ich konnte nur hoffen, dass ich diesen Atem nicht jemandem ins Gesicht geblasen hatte, den ich mochte.
Der Digitalwecker auf meinem Nachttisch stand auf 13:00 Uhr. Diese Information sagte mir nicht allzu viel, weil ich mir nicht einmal sicher war, was für ein Tag es war. Ich geriet in Panik, griff nach der Fernbedienung und schaltete CNN ein in der Annahme, die Datumsanzeige unten auf dem Bildschirm wäre verlässlich. Sonntag. Die Erleichterung ging wie eine Woge über mich hinweg. Ich hatte also nicht mehr Zeit verloren als die, von der ich bereits wusste, und was wichtiger war: Ich hatte auch keine Patiententermine verpasst.
Ich drehte meinen Kopf hin und her, streckte die verspannten Muskeln in Nacken und Schultern und schwang meine Beine über die Bettkante. Ich schaltete den Fernseher aus, zwang mich aufzustehen und ging zum Schrank hinüber, um meinen bequemen rosa Bademantel herauszuholen. Als ich ihn überzog und den Gürtel verknotete, fiel mein Blick auf einen funkelnden blauen Stoff. Das wundervolle Kleid, das ich am Abend zuvor getragen hatte, war sauber in den Schrank gehängt worden, und die passenden Schuhe standen darunter. Als ich mich mit mehrAufmerksamkeit als zuvor umsah, entdeckte ich die Korsage und die Strümpfe; sie waren über den Schaukelstuhl in der Ecke gelegt worden.
Ich hoffte sehr, dass es Devereux gewesen war, der mich nach Hause gebracht, ausgezogen und ins Bett gelegt hatte. Aber die ziemlich verstörende Möglichkeit, dass es nicht er gewesen war und dass Dinge passiert sein konnten, von denen ich vielleicht gar nichts wissen wollte, ließ mich erstarren wie eine Statue.
Ich stemmte eine Hand gegen die Wand, um mir Halt zu verschaffen, schloss die Augen und sandte eine Welle der Aufmerksamkeit durch meinen Körper hindurch. Ich war schon immer in der Lage gewesen, mit Hilfe der Intuition meinen körperlichen Gesundheitszustand zu ermitteln, und in letzter Zeit schien diese Fähigkeit sogar noch stärker geworden zu sein.
Ob ich es jetzt wirklich wissen wollte oder nicht – ich musste herausfinden, ob es zu irgendwelchen sexuellen Aktivitäten gekommen war, freiwilligen oder erzwungenen. Ich wappnete mich für die möglichen schlechten Nachrichten und stellte mir in Gedanken eine Frage. Keine meiner inneren Alarmanlagen sprang an, also fragte ich noch einmal – nur zur Sicherheit.
Gelassenes Schweigen wie zuvor.
Ich hatte gelernt, mich auf die unterschwelligen »Ja«- und »Nein«-Reaktionen meines Körpers zu verlassen, und so war ich mir jetzt einigermaßen sicher, dass ich nicht körperlich versehrt worden war, während ich geschlafen hatte. Oder bewusstlos gewesen war. Oder was genau ich auch auch immer gewesen war.
Eine kleine Welle der Erleichterung ging über mich hinweg und spülte den größten Teil meiner Befürchtungen mit sich fort. Ich straffte die Schultern, zog den Bindegürtel meines Bademantels fester und ging ins Erdgeschoss
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