Kismet Knight
Teil meines Bewusstseins davontrieb wie eine Wolke.
Ich hatte das Gefühl, als wären meine Arme und Beine von einer Rüstung umschlossen, als wäre es viel zu mühsam, auch nur daran zu denken, sie zu bewegen, und als käme es sowieso nicht darauf an, weil sie dafür viel zu schwer waren.
Bryce legte den Kopf zur Seite und beobachtete mich lächelnd. »Siehst du? Jetzt bist du schon viel entspannter. Tut es dir leid, dass du so ein Theater gemacht hast?«
»Was wollen Sie?«, murmelte ich.
Tapfer unternahm ich einen weiteren Versuch, mich aus dem Stuhl hochzustemmen, oder glaubte es jedenfalls. Es passierte gar nichts, und so musste ich annehmen, dass die Nachricht es nicht von meinem Gehirn in die Beine geschafft hatte. Meine Muskeln fühlten sich wie Pudding an, und mein Mund war so trocken wie die Sahara. Vielleicht hatte ich einen Schlaganfall gehabt und verbrachte meine letzten Minuten jetzt in der Gesellschaft eines Psychopathen.
Er lachte. »Ich mag es, wenn du dich wehrst. Finde ich aufregend. Ich bin mir nicht sicher, ob du wirklich wissen willst, was ich will. Ruinieren wir doch die Überraschung nicht, in Ordnung?«
Bryce griff nach einer Strähne seines eigenen langen Haars und strich mir damit über die Wange. »Du bist wirklich sehr hübsch. Dieses ganze lange dunkle Haar und die sexy Augen. Ich kann mir vorstellen, warum Devereux sich von dir so angezogen fühlt. Ich bin hier, weil ich gehört habe, wie er sich mit meiner kleinen Dienerin Midnight über dich unterhalten hat. Ich habe den Eindruck, er ist ziemlich hingerissen, wenn du meine Meinung hören willst. Nichts würde mir mehr Spaß machen, als Devereux etwas vorzuenthalten, das er haben will, oder noch besser, es ihm wegzunehmen, wenn er es schon besitzt.«
»Niemand besitzt mich«, behauptete ich ungeachtet der Tatsachen,dass ich nicht wusste, wovon er eigentlich redete, und dass der davongetriebene Teil meines Gehirns sich immer noch nicht zurückgemeldet hatte. Gespielte Furchtlosigkeit gehörte zu meinen bevorzugten Taktiken.
Während der ganzen Zeit hatte der kleinere Mann gelacht und sich mit einer Hand auf den Schenkel geschlagen. Ich warf einen Blick zu ihm hinüber, und er zeigte mir seine Vorderzähne, wobei er auch zwei sehr echt wirkende Fangzähne sehen ließ. Es waren entschieden die überzeugendsten Exemplare, die ich bisher zu Gesicht bekommen hatte. Ich war mir nicht sicher, welche Reaktion auf seine falschen Zähne er sich erwartet hatte, aber offensichtlich hatte ich sie nicht geliefert, denn er stürzte sich auf mich und knurrte: »Ich könnte dir mit denen hier die Kehle herausreißen!«
Mit unglaublicher Geschwindigkeit streckte Bryce den Arm aus, packte den kleineren Mann an der Kehle und schleuderte ihn zu Boden. »Lass sie in Frieden, Raleigh!«, fauchte er. »Ich hab’s dir gesagt: Sie gehört mir.«
Raleigh stierte Bryce an und machte Geräusche, die mehr nach einem Tier als einem Menschen klangen. Dann stand er vom Fußboden auf und stolperte zum nächststehenden Sofa hin über, auf dem er sich ausstreckte, die Hände hinter dem Kopf verschränkt.
»
Sie gehört mir«? Was soll das heißen? Dass er mir weh tun kann oder …? Ich wünschte, ich könnte den »An«-Schalter für mein Gehirn finden!
Ich hatte seit meiner fachärztlichen Ausbildungszeit, als ich eine Weile in einer geschlossenen psychiatrischen Abteilung gearbeitet hatte, nicht mehr mit gewalttätigen Patienten zu tun gehabt, und ich versuchte, mir ins Gedächtnis zu rufen, was ich damals über den Umgang mit ihnen gelernt hatte. Seit ichgesehen hatte, wie Bryce den kleineren Mann wie einen Pappaufsteller zu Boden geschleudert hatte, war mir klar, dass ich keine Chance hatte, wenn es auf Körperkraft ankam. Meine einzige Hoffnung war, meine Möglichkeiten als Therapeutin einzusetzen. Vielleicht konnte man vernünftig mit ihm reden. Oder vielleicht sollte ich einfach den Mund halten. Ich musste unter allen Umständen einen klaren Kopf behalten, und das war zum Problem geworden.
Bryce wandte sich wieder mir zu und schien in meinem Gesichtsausdruck nach etwas zu suchen. Er beugte sich vor, strich mir mit der Zunge über die Lippen und küsste mich dann wieder. Ich drehte den Kopf zur Seite und schrie: »Nein!« Er stieß meinen Stuhl ärgerlich nach hinten, stand auf und hob mich hoch, so dass ich wie ein Kind in seinen Armen hing.
Ich stemmte mich vollkommen wirkungslos gegen seine Brust und trat um mich, damit er mich absetzte, und einen
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