Kissed by Darkness
wissen genauso wenig wie jeder andere, wie viel Zeit uns bleibt.«
Na, das war doch immerhin etwas. In Bezug auf meine Lebensspanne könnte ich also immer noch als normaler Mensch durchgehen. In Bezug auf meinen Tod im Übrigen auch. Merkwürdig, dass mir der Gedanke an ein schier endlos langes Leben solche Angst einjagte.
Ich schmiegte mich an ihn, machte es mir ein wenig gemütlicher und überdachte alles, während ich auf meiner Unterlippe herumkaute. Ignorieren konnte ich diese ganze Sunwalker-Sache wohl nicht, aber ich brauchte etwas Zeit, um mich mit den Konsequenzen auseinanderzusetzen.
»Also, was ist aus den anderen geworden?«, fragte ich. »Den anderen Sunwalkern, meine ich? So wie es sich anhört, hat es einmal eine ganze Menge von euch gegeben.«
Er schwieg und ein Ausdruck tiefer Trauer legte sich auf sein Gesicht. »Kennst du die Legenden darüber, dass die Tempelritter einst etwas unter dem Tempelberg gefunden haben sollen, das den Orden über Nacht zur mächtigsten Gruppierung der Welt machte? Mächtiger als Könige und sogar die Kirche?«
Ich nickte und er erhob sich und begann mal wieder, im Raum hin und her zu tigern. »Natürlich. Manche behaupten, die Templer hätten Beweise dafür gefunden, dass Jesus verheiratet war und Kinder hatte, oder dafür, dass die Kirche mit ihren Lehren Lügen verbreitet oder so.« Keine Ahnung, wie viele Bücher es schon über dieses Thema gab.
»Nichts dergleichen.« Er lächelte grimmig und sein Blick schien in weite Ferne zu gehen. »Das Einzige, was wir unter dem Tempelberg gefunden haben, waren ein untoter Priester und das Amulett.«
»Und das hat den Templern eine solche Macht verliehen?«
»Das Amulett verleiht seinem Hüter nicht nur das nötige Wissen, um es beschützen zu können, sondern auch alles, was er für wirtschaftlichen Erfolg benötigt. Ich weiß auch nicht, wie sie das fertiggebracht haben. Muss irgendeine Technologie sein, die alles speichern und interpretieren kann, was in der Welt vor sich geht. Keine Ahnung. Aber nach meiner Verwandlung versorgte mich das Amulett mit allen Informationen, die ich brauchte, um reich und mächtig und ein guter Beschützer zu werden. Informationen darüber, wo sich verlorene Reichtümer befinden, wem man trauen oder in was man investieren kann. Und ich habe dieses Wissen an meine Brüder weitergegeben.«
Mir ging ein Licht auf. »Und deine Brüder haben es eingesetzt, um die Macht und den Reichtum des Ordens zu vergrößern.«
Er nickte. »Ja. Manchmal führte mich das Amulett sogar zu anderen Nachfahren von Varans Kriegern und ich konnte sie verwandeln, wenn sie beispielsweise in der Schlacht tödlich verwundet worden waren. Natürlich nur mit ihrem Einverständnis. Du kannst dir vielleicht vorstellen, was für eine gewaltige Kriegsmacht ein Dutzend Sunwalker zu Zeiten der Kreuzzüge waren.«
»Ähm, ja, das glaube ich.« Die Tempelritter hatten mithilfe der Sunwalker eine gewaltige Machtbasis errichtet. Der Gedanke war unfassbar. Kein Wunder, dass sie sogar die Kirche in die Knie gezwungen hatten. Damals hatte man die Sunwalker wahrscheinlich für Dämonen oder Engel gehalten. Sowohl die Kirche als auch alle europäischen Regierungen mussten entsetzt gewesen sein.
»Bei diesem Massaker am Freitag dem Dreizehnten, das die Herrschaft der Templer beendete, wurden die Sunwalker ausgelöscht, richtig?« Allmählich wurde mir die Sache klar. Die Mächtigen zerstören, was sie fürchten und nicht kontrollieren können. Und die Templer waren mit ihren verbündeten Sunwalkern eindeutig eine furchterregende Macht gewesen.
»Ja.« Unendliche Trauer färbte seine Stimme, als er sich wieder neben mir auf das Sofa sinken ließ. »Jeder einzelne meiner Brüder in Frankreich wurde an jenem Tag erschlagen, nur ich bin mit dem Amulett entkommen. Die anderen sind zurückgeblieben, um meine Flucht zu vertuschen.«
»Und was ist mit dem anderen Sunwalker geschehen? Mit dem Zweitausendjährigen?«
»Sie ist gestorben.«
Ein weiblicher Sunwalker, der länger gelebt hatte als jedes andere Wesen, von dem ich je gehört hatte. Interessant. »Aber nicht mit den anderen Templern?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, Frauen war es damals nicht gestattet, mit uns zu dienen, nicht einmal weiblichen Sunwalkern. Aber sie war eine Verbündete der Templer und sie bot mir nach meiner Flucht einen Unterschlupf.«
»Dann hat sie dich also aus Frankreich herausgebracht?«
»Ja.«
Es war deutlich, dass er nicht über diese Frau
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