Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kite

Kite

Titel: Kite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
Vom Netzwerk:
abgehauen ist, direkt an meinem Büro vorbei.«
    Herb schüttelte verwundert den Kopf. Wie konnten manche Leute nur so dumm sein? »Hatten Sie keine Angst, selbst getötet zu werden?«
    »Soll ich Ihnen sagen, was mir momentan am meisten Sorgen macht?« Der Mann deutete auf den Aktenberg neben der Tastatur seines Computers. »Sie wissen schon, was in vierzehn Tagen los ist, Officer?«
    Herb sah das Schild an der Tür: David Dean, Rechtsanwalt und Steuerberater.
    Aha. Das erklärte alles.
    »In zwei Wochen sind die Steuererklärungen fällig«, sagte Dean, »und ich hab alle Hände voll zu tun. Meine Mandanten gehen vor.«
    Herb sah sich schnell in dem spärlich möblierten Büro um. Es gab da ein paar Pflanzen, die dringend gegossen werden mussten, und ein paar Bilder an der Wand. Auf dem Boden lag Sägemehl. Vermutlich waren erst kürzlich die Handwerker hier gewesen. Die einzigen persönlichen Gegenstände befanden sich auf dem Schreibtisch – eine Kaffeetasse mit Smiley, ein Briefbeschwerer aus Kristall und ein eingerahmtes Bild, das Dean zusammen mit Bill Clinton zeigte.
    Herb sagte: »Sir, ich muss Sie bitten, das Büro zu verlassen. Wir evakuieren das gesamte Gebäude.«
    »Das ist doch Unsinn, ich …«
    »Sie können morgen wiederkommen. Wenn Sie mir nicht Folge leisten, muss ich Sie festnehmen.«
    Dean seufzte übertrieben, rieb sich die Schläfen und fuhr dann den Computer herunter.
    »Ich kapier das nicht«, sagte Dean. »Ist das hier im Augenblick nicht der sicherste Ort? Der Kerl, den Sie suchen, ist ja längst weg.«
    Er erhob sich und nahm sein Jackett von der Stuhllehne. Herb begleitete ihn zum Fahrstuhl und wartete, bis dieser unten in der Eingangshalle angekommen war.
    Dann ging er zusammen mit Sakey wieder in Roes Büro.

Luther
1. April, 14:07 Uhr
    Jack Daniels steht im Foyer und blickt in die Menschenmenge. Um sie herum wimmelt es von Bullen.
    Luther findet das furchtbar aufregend und unterdrückt nur mit Mühe ein Lächeln.
    Sie starrt ihn an, und ihre Blicke bleiben kurz aneinander haften. Doch dann konzentriert sie sich auf die nächste Person in der Warteschlange.
    Geduldig wartet Luther, bis man ihn gehen lässt.

Herb
1. April, 14:07 Uhr
    Es war nicht das erste Mal seit ihrer Pensionierung, dass Herb sich wünschte, Jack wäre bei ihm. Sie hatte ein fast schon unheimliches Talent, Hinweise und Spuren am Tatort zu entdecken und sich einen Reim auf Dinge zu machen, die eigentlich nicht zusammenpassten. Natürlich hatte er vollstes Verständnis für Jacks Entscheidung, hoffte aber dennoch, dass das Hochhaus bald vollständig evakuiert sein würde, damit Jack nach oben kommen und ihm sagen konnte, was sie von der Sache hielt.
    Herb ließ seinen Blick durch Roes Büro schweifen und sah nirgendwo Spuren und Hinweise. Er sah ein stinknormales Büro, sonst nichts.
    Schreibtische, Stühle, Pflanzen, und mehr Aktenschränke, als er zählen konnte …
    Moment mal … Aktenschränke.
    Die gab es doch in jedem Büro.
    Aber dieser Steuerberater, den er vorhin aus seinem Büro verjagt hatte, der mit dem Clinton-Foto … wo hatte
der
seine Aktenschränke?
    Er hatte jedenfalls keine gesehen.
    Komisch war das schon – so komisch, dass Herb ein mulmiges Gefühl bekam.
    Ein Adrenalinstoß erfasste ihn. Mit Sakey im Schlepptau rannte er zurück in Suite 1111 und sah sich das Büro des Steuerberaters genauer an.
    Es war klein und hatte keinen Empfangsbereich, sondern nur einen Schreibtisch mit Computer.
    Aktenschränke gab es auch keine.
    Herb griff zu seinem Walkie-Talkie. »Hier spricht Sergeant Benedict. Geben Sie mir den Kommandeur des Spezialeinsatzkommandos. Kommen.«
    »Hier ist Lieutenant Matthews vom SRT. Was gibt’s, Sarge? Kommen.«
    »Warum haben Sie den Steuerberater nicht mitgenommen, als Sie den elften Stock durchsucht haben? Kommen.«
    »Welchen Steuerberater?«

Luther
1. April, 14:08 Uhr
    Luther löst die Krawatte vom Hals und beobachtet den Ausgang. Die Stimmung ist elektrisch geladen. Angst, Verwirrung und Aufregung hängen in der Luft. Die Leute reden wild durcheinander, ein paar Büroangestellte reißen Witze. Man sieht ihnen an, wie aufgeregt sie sind, weil in ihrem langweiligen Alltag endlich was passiert.
    Etwas, worüber man beim Abendessen vor den Kindern angeben kann. Vielleicht kommen sie sogar in die Nachrichten.
    In der Warteschlange vor dem Ausgang stehen nur noch vier Leute vor Luther. Ein Polizist bewegt an ihnen den Metalldetektor auf und ab, bevor sie hinaus

Weitere Kostenlose Bücher