Klagelied der Sterne: Der frühe Homanx-Zyklus, Bd. 2
intelligenten Lebens im Kosmos.
Je länger sie sich unterhielten, desto mehr gewann Father Pyreau den Eindruck, dass er in dem Thranx mit dem glänzenden Ektoskelett eine verwandte Seele gefunden hatte. Diskutierten sie anfangs halb scherzhaft darüber, ob man die Thranx konvertieren solle - falls so etwas überhaupt akzeptabel oder möglich sei -, tauschten sie anschließend offen Glaubenswerte, Gewissheiten und unbeantwortete Fragen aus; sie bekundeten einander ihr Verlangen, die großen Geheimnisse zu verstehen und zugleich nützliche und praktische Arbeit in der einzigen Realität zu verrichten, die sie kannten.
Eine lange Zeit waren sie in dem Gang allein. Als der erste patrouillierende Dreiertrupp aus Thranx-Arbeitern sie fand, waren sie in ein lebhaftes Gespräch vertieft. Als Pyreau zu seiner Einheit zurückgebracht wurde, die ihn bereits für tot gehalten hatte, empfing man ihn wie einen Helden. Angesichts des überschwänglichen Lobs wies er nach Kräften darauf hin, dass er kaum mehr gemacht habe, als zu überleben und auf Rettung zu warten. Doch seine Kameraden wollten nichts davon wissen. Er wurde mehrfach zur lobenden Erwähnung vorgeschlagen. Obwohl Feldgeistliche nur selten Ehrenzeichen trugen, verliehen die Thranx ihm das gleiche Ordensband wie der Einheit des Menschenheeres, die ihrem bedrohten Stock zu Hilfe geeilt war: die Gekreuzten Antennen auf blaugrünem Grund. Pyreau fand das Ehrenabzeichen allzu peinlich und nahm es nie aus seiner versiegelten Aufbewahrungsbox.
Als er einen Urlaubsantrag einreichte, wurde diesem unverzüglich stattgegeben. Eingedenk der Tatsache, was der Geistliche durchgemacht hatte, verstanden seine Vorgesetzten gut, dass er etwas Ruhe und Entspannung nötig hatte. Unter brutalen Gefechtsbedingungen konnte sogar ein Feldgeistlicher das zeitgenössische High-Tech-Äquivalent zu einer Kriegsneurose entwickeln.
Father Pyreau versuchte gar nicht erst, Einwände gegen diese Einschätzung zu erheben. Für ihn zählte nur, dass er Urlaub bekam, um sein Gespräch mit dem Thranx-Berater Shanvordesep fortsetzen zu können. Der Thranx hieß seinen neuen Freund bereitwillig im Stock willkommen. Gemeinsam versanken sie in wochenlange, intensive Diskussionen über spirituelle Themen, studierten den Glauben des jeweils anderen, lernten alles über ihre Kulturgeschichte und stellten fest, wie ihre beiden Spezies über die ewigen Rätsel dachten, die beide Kulturen beschäftigten.
Monate später hatten sie weit mehr vollbracht, als Ansichten auszutauschen und weiser zu werden. Sie hatten Möglichkeiten ermittelt und Lösungen gefunden. Und sie hatten erkannt, wie man die Dinge, die jenseits des Weltlichen lagen, am besten mit der Realität in Einklang bringen konnte und wie sich die damit verbundenen Ungereimtheiten auflösen ließen. Sie waren zum Handeln bereit.
Alles, was sie jetzt noch brauchten, war ein Geldgeber.
»Eine neue Kirche gründen? Sind Sie beide verrückt?« Martine Herzalt Lorengau richtete sich kerzengerade in ihrem Sessel auf, während sie die beiden ungleichen Besucher musterte. »Ich nehme mal an, dass man einen wahnsinnigen Thranx an den gleichen Symptomen erkennt wie einen wahnsinnigen Menschen.«
»Ich kann Ihnen versichern, dass wir nicht verrückt sind.« Das insektenähnliche Wesen machte eine beiläufige Geste, in der Hoffnung, dass die schlanke Frau mit dem argwöhnischen Gesicht ihre Bedeutung verstand. »Nur voller Hoffnung.«
Reverend Pyreau, der neben seinem Freund saß, kam ihm zu Hilfe: »Wir sind zu Ihnen gekommen, weil alle anderen uns abgewiesen haben.«
Lorengaus Mundwinkel zuckten kurz: der Anflug eines Lächelns, das sich jedoch nicht Bahn brechen konnte, dazu war Lorengau zu distanziert. »Als angesehene Geschäftsfrau will ich Ihnen sagen, dass ich noch nie eine beschissenere Eröffnung für eine Kreditanfrage gehört habe. Wirklich fantastisch: Sie kommen her und sagen mir als Erstes, dass jeder, mit dem Sie bisher gesprochen haben, Sie für Idioten hält.«
»Wir wollen in die Menschen investieren und in die Zukunft.« Ohne zu blinzeln sah Pyreau der Frau in die entnervend tief liegenden, großen Augen und versuchte, sich nicht nervös auf seinem Stuhl zu winden. Eigentlich müsstest du mittlerweile an solche Situationen gewöhnt sein, dachte er. An die Umgebung und die Abweisung. Dennoch harrte er aus. Was blieb ihm auch anderes übrig?
»Selbst wenn ich mein Geld für ein lächerliches Unterfangen verschwenden wollte, wieso
Weitere Kostenlose Bücher