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Klammroth: Roman (German Edition)

Klammroth: Roman (German Edition)

Titel: Klammroth: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isa Grimm
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dort draußen geschehen wäre, wenn sie innegehalten hätte. Das alles war jetzt bedeutungslos, die Außenwelt war eine andere als die hier drinnen. Kurz flackerte das Gesicht ihrer Tochter durch ihre Gedanken, aber Lily würde nichts geschehen; sie würde Anais vermissen, dann Phil informieren, und der würde sie abholen und zurück nach London bringen, wo die Erinnerung an Klammroth und an ihre Mutter schnell verblassen würde.
    Etwas berührte sie am Hinterkopf.
    Mit einem Aufschrei stolperte sie in der Hocke nach vorn, fiel hin und spürte Nässe unter ihren Handflächen. Der Asphalt war mit etwas Modrigem bedeckt, und sie konnte nicht anders, als an menschliche Asche zu denken, so irrational das auch war. Es gab hier keine Überreste des Unglücks mehr, wahrscheinlich nicht mal ein Stück verbogenes Metall. Aber ließ sich der fettige Ruß verbrannter Leiber wirklich entfernen? Die schwarze Schlacke, die sich beim Feuer unter der Decke verfangen hatte, mochte in all den Jahren mit der Feuchtigkeit zurück auf die Straße getropft sein.
    Abermals spürte sie, wie etwas sie berührte, und das gab ihr die Kraft, auf die Beine zu kommen. Mit einem Aufschrei rannte sie los, einfach nach vorn, ohne zu ahnen, inwelche Richtung sie das führen würde, zurück zum Tor oder tiefer in den Tunnel. Womöglich würde sie gegen eine der Wände laufen, und wahrscheinlich war es ohnehin bedeutungslos. Die Gewissheit, dass sie den Tunnel nie mehr verlassen würde   – ihn vielleicht niemals verlassen hatte   –, fraß sich in ihr fest, noch während sie weiterlief und weiter und immer noch weiter.
    Dann hörte sie ein Kichern.
    Erst war es nur eine einzige Stimme, bald kamen andere hinzu. Ein Mädchen, dann mehrere, und es mischten sich rauere Laute unter dieses glockenhelle Lachen. Sie kamen von allen Seiten, kamen aus der Dunkelheit, und nun tasteten wieder Hände nach ihr, strichen mit der Leichtigkeit von Insektenfühlern über ihre Stirn und ihre Lippen.
    Anais schüttelte sie ab und wollte glauben, dass es nur Halluzinationen waren, nur ihr Verstand, der sich über sie lustig machte, und das, was da lachte, in Wahrheit nur ein gehässiger Teil ihrer selbst war.
    Aber die Berührungen kehrten wieder, egal wie schnell sie lief, ob sie stolperte und zu Boden ging oder sich wieder hochrappelte und weiterrannte. Das Lachen war ganz nah, schwebte um ihre Ohren, so vielstimmig wie früher in der Schule, in den Bussen, beim Aufbruch zu einer Reise in den Tod.
    Sie war blind, und das Gefühl, dem allem hier hoffnungslos ausgeliefert zu sein, schnürte ihr den Atem ab. Sie begann zu hyperventilieren, fühlte es kommen wie vorhin den Sturmwind, nur dass es diesmal aus ihr selbst aufstieg, und dann schnappte sie schon nach Luft und schlug mit den Armen ins Leere, um die Geister auf Distanz zu halten.
    Die Geister.
    Es waren so viele, und ihr Gelächter und Wispern brachte sie um den Verstand. Es fühlte sich an, als liefe sie im Finsteren durch einen Wald aus Fäden, und jeder einzelne war so viel kälter als die ohnehin schon eisige Umgebung.
    Wie lange ihre Atemnot anhielt, wusste sie nicht. Sie hatte kein Gefühl mehr für die Zeit oder für die Richtung, in die sie taumelte. Vielleicht hatte sie schon die Stelle erreicht, an der die Busse ineinandergerast waren, den Nullpunkt allen Leidens, wo begonnen hatte, was nun nicht mehr enden wollte.
    Dutzende Fingerspitzen krabbelten über sie hinweg. Es fühlte sich an, als wäre sie in ein Nest von winzigen Tieren gestürzt, manche tasteten nur zart, andere scharrten heftiger, und einige kratzten wie Zweige über ihre Haut. Wie Knochen, von denen alles Fleisch gebrannt war, die stattdessen ihr Fleisch wollten und sich nicht abschütteln ließen.
    Erneut rutschte sie aus und fiel hin. Ihre Hände suchten nach Halt, wie betäubt von der Kälte. Dann bekam sie etwas zu fassen, neben sich am Boden, das sie erst für Münzen hielt, runde Metallstücke, und schwach erinnerte sie sich an das entfernte Klingeln oder Klirren, das sie mit Lily am Tor gehört hatte. Sie schloss die Finger um mehrere dieser Gegenstände, purer Reflex, ließ dann wieder los und bemerkte, dass eines dieser Plättchen an ihrer nassen Handfläche haften geblieben war.
    Wieder kämpfte sie sich hoch. Sie heulte, schlug mit einer Hand um sich und stieß die andere in ihre Jackentasche, weil sie sich an das Smartphone erinnerte und an das schwache Licht des Displays.
    Was die Stimmen ihr zuflüsterten, konnte sie nicht

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