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Klammroth: Roman (German Edition)

Klammroth: Roman (German Edition)

Titel: Klammroth: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isa Grimm
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keinen Abschiedsbrief hinterlassen hat, was ungewöhnlich ist für eine Frau, die ein so straff organisiertes Leben führte.«
    »Aber wenn Versicherungsbetrug und Selbstmord ausscheiden, dann bleibt doch nur   –«
    »Fremdeinwirkung.«
    Anais nickte. »Und wie Sie schon sagten, jedermann in Klammroth fand sie großartig, abgesehen von mir.«
    »Und Sebastian Teusner.« Herzog sah ihr unnachgiebig in die Augen. »Der zufällig zwei Häuser weiter wohnt. Und bis vor ein paar Tagen nicht müde wurde, einen Beschwerdebrief nach dem anderen an alle offiziellen Stellen zu schreiben.«
    Ging es ihm in Wahrheit um Sebastian? Nach gestern Abend hatte sie allen Grund, ihn ans Messer zu liefern. Sie war in Versuchung, Herzog alles zu erzählen. Schon am Morgen hatte sie mit dem Gedanken gespielt, Anzeige zu erstatten. Doch was hätte sie zu Protokoll geben sollen? Sebastian und Erik hatten ihr kein Haar gekrümmt. Sogar in den Tunnel war sie freiwillig gelaufen. Hatte Sebastian sie nicht sogar davon abhalten wollen?
    »Frau Schwarz? Alles in Ordnung mit Ihnen?«
    Wann war er so nah herangekommen?
    »Glauben Sie, dass Sebastian es getan hat?«, fragte sie.
    »Darüber darf ich Ihnen keine Auskunft geben.«
    »Sie wollten doch meine Meinung hören.«
    »Das bedeutet nicht, dass ich ihn für einen Mörder halte.«
    Über seine Schulter blickte sie zur Tür ins nächste Zimmer.
    »Ich habe gestern mit Sebastian gesprochen«, sagte sie. »Er meinte, Sie hätten sein Alibi überprüft.«
    »Er hatte zum Zeitpunkt des Feuers Fahrgäste, die das bezeugen können. Es gibt keinen Zweifel, dass Sebastian Teusner Taxi gefahren ist, während Ihre Stiefmutter ums Leben kam.«
    »Warum wollen Sie dann   –«
    »Es könnte noch jemanden geben.«
    »Einen Komplizen?«
    »Das haben Sie gesagt.«
    »Haben Sie eine Idee, wer das sein könnte?«
    »Jemand, der leicht zu beeinflussen ist. Und selbst einen Grund hatte, Theodora Schwarz zu hassen.«
    Es wäre leicht gewesen, ihm jetzt einen Namen zu nennen. Erik, der schon als Kind auffällig gewesen war. Erik, der geglaubt hatte, allen anderen etwas beweisen zu können, indem er die Schule mit seinen Fäkalien verzierte. Nicht nur mit seinen.
    Wortlos trat sie an eines der Fenster und blickte hinaus in das nasse Herbstgrau über dem See.
    »Ich war gestern mit Sebastian essen«, sagte sie, »aber vorher habe ich ihn siebzehn Jahre lang weder gesehen noch gesprochen. Ich weiß überhaupt nichts über ihn oder seine Beziehung zu meiner Stiefmutter.«
    Herzog trat hinter sie. »Ich hab sein Umfeld überprüft. Sebastian Teusner hat keine Freunde, nicht einen einzigen. Sicher, er hat Stammkunden und Bekannte, die ihn auf der Straße grüßen. Die Leute scheinen ihn zu mögen, niemand verliert ein böses Wort über ihn   – aber Freunde? Ich konnte jedenfalls keinen finden. Der einzige Mensch, der ihm etwas bedeutet   –«
    »Ist seine Schwester«, sagte sie. »Nele.«
    »Und sie war es bestimmt nicht.« Er zögerte einen Moment, dann fuhr er mit Unbehagen in der Stimme fort: »Sie hat keine Beine mehr. Und keine Arme. Nele Teusner ist nur noch ein Torso, und allein bei der Erwähnung eines Feuers schreit sie sich die Seele aus dem Leib.«
    Eine ganze Weile lang brachte Anais kein Wort heraus. Schließlich sagte sie mit belegter Stimme: »Sebastian glaubt, dass meine Stiefmutter sie nicht besonders gut betreut hat.«
    »Er ist ein Mann mit einer Mission. Ich habe seine Briefe ans Gesundheitsamt und die Krankenversicherung gelesen, jedenfalls einen Teil davon.«
    »Er hat von Experimenten gesprochen.« Ihre Stimme klang belegt. »Irgendwelchen Versuchen, die meine Stiefmutter an Nele durchgeführt haben soll. Ich nehme mal an, in den Briefen klang das genauso irre, oder?«
    Herzog rieb sich die stoppelige Wange. »Wollen Sie meine ehrliche Meinung hören?«
    Ein letzter Blick zu der Tür, dann schüttelte sie den Sog wieder ab. »Sicher.«
    »Vor ein paar Jahren gab es ein unabhängiges Gutachten, dessen Ergebnisse zumindest zwiespältig waren. Daraus geht hervor, dass Nele Teusner zwar mit zahlreichen Medikamenten behandelt wurde, aber keines davon in irgendeinem anderen Fall so erfolgreich gewirkt hat wie bei ihr.« Er rümpfte die Nase. »Entweder, Ihre Stiefmutter konnte durch Handauflegen heilen, oder sie hat Methoden angewandt, die in den offiziellen Unterlagen nicht dokumentiert sind.«

23
    Herzog setzte sie vor der Pension ab, drückte ihr eine Visitenkarte mit seiner Nummer in die Hand

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