Klappohrkatze auf Reisen
soweit ich sehen konnte auch alles andere. Er saß einfach im Publikum und war ungefähr so angespannt wie eine Schüssel Pudding. Einer seiner Besitzer brachte den Kater herüber, um ihn mir vorzustellen – und der Kater hing kopfunter in den Händen des Mannes wie ein Stück Rindfleisch beim Metzger. Ich wusste nicht, ob Norton ein bisschen eifersüchtig war oder ob er den schwarzen Kater wegen seines unterwürfigen Verhaltens verachtete. Ich hoffte auf Letzteres, denn er ist, soweit ich weiß, über jedes Gefühl kleinlicher Eifersucht erhaben, aber er zeigte seinem kätzischen Konkurrenten definitiv die kalte Schulter.
Bei Books & Co. in Dayton, Ohio (dem zweitgrößten unabhängigen Buchladen des Landes und dem Traum jedes Bücherfreundes), war ich der zweite Sprecher des Abends. Das einzige Problem dabei war, dass Norton und ich während des Vortrags der ersten Autorin an der Seite standen – ihr Buch und Vortrag waren beide charmant, alles über diverse amerikanische Familientraditionen – und uns auf unseren eigenen kleinen Vortrag vorbereiteten. Und während diese bedauernswerte andere Autorin sprach, entdeckten die Leute nach und nach die Katze und kamen herüber, um sie zu streicheln und Hallo zu sagen. Ziemlich bald standen fünfzig Leute um Norton herum und lobten ihn in den Himmel, während drei Leute vor der Frau mit den Familientraditionen sitzen blieben. Als man uns beide später am Abend an unserem Hotel absetzte, hatte ich den Eindruck, dass bei ihr gerade eine neue Familientradition begründet wurde, nämlich die, Autoren von Katzenbüchern zu hassen.
In Dallas durfte Norton nicht nur zum ersten Mal ein echtes Barbecue probieren, er war mittlerweile bei seinen Fernsehauftritten auch so entspannt, dass er während einer Talkshow sogar einschlief. Die Kulisse ähnelte ein bisschen der Tonight Show – der Talkmaster saß auf einem Sessel, die Gäste aufgereiht auf dem Sofa. Norton und ich waren die einzigen Gäste. Er saß neben der Interviewerin, und ich saß neben Norton. Die Frau, die der Star der Show war, war eine fanatische Katzenliebhaberin und war sich, glaube ich, nie ganz sicher, an wen sie ihre Fragen richten sollte, an mich oder an Norton. Ziemlich häufig guckte sie verblüfft, wenn sie etwas gefragt hatte und die Antwort aus meinem Mund kam. Während ich redete, streichelte ich die ganze Zeit Norton, bis die Talkmasterin irgendwann mitten im Interview sagte:
»Tja, wie ich sehe, ist das Problem bei Norton, dass er im Lichte der Öffentlichkeit einfach zu angespannt ist.«
Ich sah nach unten, und tatsächlich, der Superstar der Katzenwelt hatte den Kopf unter den Körper gesteckt, sich zu einer Kugel zusammengerollt und schlief fest, behaglich schnurrend. Als wir am nächsten Tag in den Taylor’s Bookstore kamen, merkte ich, dass Norton sich nun völlig an sein Promi-Leben gewöhnt hatte. Rund hundert Leute standen Schlange, um ihn zu sehen, aber ich hatte stark den Eindruck, dass er enttäuscht war, weil keine Kameras zugegen waren, die jede seiner Bewegungen aufzeichneten (das waren, zugegeben, nicht gerade viele; meistens hielt er den Kopf hoch, um sich kraulen zu lassen, oder senkte den Kopf, um sich mit ein paar Leckerlis füttern zu lassen. Was tatsächliche öffentliche Aktivitäten angeht, ist er eher ein Minimalist.)
Als die Tour für das Hardcover-Buch vorbei war, fühlte sich Norton, glaube ich, genauso wie ich. Es herrschte eine gewisse Erleichterung – es war schön, zu Hause zu sein und nicht jeden Tag in einem anderen Hotelzimmer, und es war sogar noch schöner, allein zu sein, ohne ständig auftreten zu müssen, etwas, das weder Schriftstellern noch Katzen leichtfällt und worin sie auch nicht gut sind. Gleichzeitig fielen wir ein bisschen in ein Loch. Für kurze Zeit standen wir mitten im Rampenlicht. Keine Panik, keiner von uns verwandelte sich jemals ganz in Sally Field bei der Oscar-Verleihung, aber es bestand doch eine gewisse Sucht nach öffentlicher Anerkennung. Katzen und Schriftsteller sind überwiegend Einzelgänger, und es hatte, auch wenn es sich manchmal unbehaglich anfühlte, doch etwas Befriedigendes, wenn uns die Leute persönlich versicherten, dass wir Freude in ihr Leben gebracht hatten.
Ich glaube, nach Ende der Tour hatte Norton eine etwas andere Beziehung zur menschlichen Rasse. Vor diesem Erlebnis war im Grunde ich derjenige, der ihm die ausdauerndsten und stärksten Gefühle von Zuneigung und Liebe schenkte. Im Lauf der Jahre hatten ihn
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