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Klappohrkatze auf Reisen

Klappohrkatze auf Reisen

Titel: Klappohrkatze auf Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Gethers
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Sonntagsbrunch mit Lachs und Bagels. Andere Religionen und religiöse Riten lassen mich ebenfalls kalt. Ich glaube nicht sonderlich an Spektakel (auf die Rose Bowl Parade kann ich ebenso gut verzichten wie auf eine Mitternachtsmesse an St. Patrick’s). Weder Furcht noch Schuldgefühle wirken motivierend auf mich, und ich habe nie viel davon gehalten, sich mit langen, fließenden Roben, schweren Kronen und Millionen schwerem Schmuck aufzutakeln; ich dachte lediglich, der Papst und der Autor von Lebenshilfebüchern, Allen Carr, hätten sich wahrscheinlich eine Menge zu erzählen. Ich glaube weder an Himmel noch Hölle (außer man zählt Anaheim mit), und ich glaube nicht, dass es irgendetwas nützt, für seine Seele zu beten, außer dass man damit eine gewaltige Menge Verantwortung von sich schiebt. Den Fatalismus diverser asiatischer Religionen kann ich irgendwie verstehen, sehe aber nicht viel Sinn darin, unglaublich steile Berge hochzuklettern, nur um inneren Frieden zu finden. Den finde ich auch, wenn ich sehe, wie Baseballstar Dwight Gooden einen perfekten Lord Charles wirft. Was das Laufen über heiße Kohlen angeht oder die Nummer, wo man auf einem Bett aus spitzen Nägeln schläft, heißt es für mich »nichts da«. Mit Erlösung durch Schmerzen darf man mir wirklich nicht kommen. Alles in allem kann ich nicht behaupten, an Gott zu glauben. Falls ich tatsächlich jemals herausfinde, dass es ihn gibt, werde ich mich, glaube ich, von ihm fernhalten, denn wenn er auch nur für die Hälfte der Sachen verantwortlich ist, die man ihm zuschreibt, muss er ein ganz hundsgemeiner Mistkerl sein.
    Wenn man aber die Kathedrale von Chartres betritt, begreift man Religion und alles, was sie geschaffen hat. Nicht dass ich das Gefühl hätte, dass Gott hinter diesem bemerkenswerten Bauwerk steckt, aber es ist unmöglich, nicht die Kraft zu spüren, die einmal dahinter steckte – und diese Kraft ist der Glaube an Gott.
    An der Stelle der heutigen Kathedrale hat seit dem vierten Jahrhundert eine Kirche gestanden, die jetzige Kathedrale wurde aber erst 1194 erbaut. Na ja, zumindest wurde 1194 damit begonnen, und vollendet wurde sie erstaunlicherweise in nur dreißig Jahren. Ich bin kein Architekturstudent, und dieses Buch soll kein Reiseführer sein, aber vor den Fassaden der Kirche zu stehen, den Strebebögen, dem Clocher Neuf , den überwältigend schönen farbigen Glasfenstern aus dem 13. Jahrhundert und der steinernen Chorschranke aus dem 14. Jahrhundert, heißt wirklich, vor der Schönheit und Macht der Geschichte zu stehen. Es ist das überwältigendste visuelle Erlebnis, das ich mir vorstellen kann.
    Norton schien es genauso umzuhauen. Wir drei erkundeten das Innere der Kathedrale – Norton wie immer auf meiner Schulter – und setzten uns dann in eine Bank, um uns auszuruhen und das Gesehene zu verarbeiten. In solchen Situationen ist Norton entweder blind für seine Umgebung – das heißt, schläft den Schlaf aller Katzen – oder sieht sich in alle Richtungen um, versucht alles zu sehen, was es zu sehen gibt, und hält Ausschau nach einem eventuellen Hundealarm. In Chartres aber saß Norton auf der Bank, den Kopf erhoben, und drehte ganz langsam den Hals, sah zuerst die riesige Orgel an, studierte dann die Kanzel, ließ dann die Skulpturen und Gemälde und Tausende Kerzen auf sich wirken. Irgendwann kam ein Kirchenbediensteter zu uns herüber und wollte etwas sagen – ich bin mir relativ sicher, dass er uns mitzuteilen versuchte, dass Katzen in Andachtsstätten nicht zugelassen sind –, aber dann sah er, wie Norton respektvoll den geschnitzten hölzernen Bogen zu unserer Rechten betrachtete, also schlenderte er wieder dahin zurück, von wo er gekommen war. Für mich machte es den Eindruck, als hätte er begriffen, dass die Katze das, was sie sah, ebenso sehr zu würdigen wusste wie jeder andere Tourist, und beschlossen hatte, dass die Anti-Katzen-Regel in diesem Fall wahrscheinlich nicht zutraf. Hätte er nur für American Airlines gearbeitet statt für Gott, wäre mein Leben – und wahrscheinlich das zahlloser anderer – sehr viel einfacher gewesen.
    Als es vom Glanz der Kathedrale auf den Rücksitz des roten Citroëns zurückging, war Norton sichtlich eingestimmt auf seine erste Autofahrt durch das ländliche Frankreich.
    Unser nächster Halt war das schöne Städtchen Amboise. Amboise ist aus mehreren Gründen bekannt:
    Dort wurde Leonardo da Vinci 1519 begraben, hierher kam die Mona Lisa, als sie zum ersten

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