Klappohrkatze kommt nach Hause: Meine Abenteuer mit Norton (German Edition)
Jedes Mal, wenn wir einen sahen, verlor ich völlig die Beherrschung. Als wir an dem zweiten vorbeikamen, versuchte ich Janis vom Handy aus anzurufen, aber ich konnte nur schluchzen. Irgendwie wusste sie, dass ich es bin (woher bloß?!), und sie sagte: »Schon okay, du musst nichts sagen. Ruf mich einfach an, wenn du sprechen kannst.«
Um vollends in meiner Melancholie zu schwelgen, spielte ich auf dem ganzen Weg CD s von Loudon Wainwright. Er ist so ziemlich mein liebster Sänger und Musiker, und fast jeder seiner Songs handelt davon, wie jemand weggeht oder alt wird oder stirbt. Es muss ein seltsamer Anblick gewesen sein, falls jemand zufällig in meinen Wagen blickte. Etliche Stunden lang war nichts anderes zu sehen als ein Mann, der fuhr, mit seiner Katze sprach und flennte wie ein Wahnsinniger.
Wieder in New York, wieder in unserer Wohnung am Washington Square, tat ich, was ich konnte, um es Norton so behaglich wie möglich zu machen. Es würde nicht mehr lange dauern, und er konnte überhaupt nicht mehr laufen. Bald verließen ihn sämtliche Kräfte. Sein Atem ging schwer und mühsam, sein Miauen klang schwach. Appetit kannte er nicht mehr. Selbst sein Leibgericht, Shrimps, ließ er im Napf liegen.
Am Freitag, dem 7. Mai, wollte ich ihm seine Infusion verabreichen, aber er war so abgemagert, dass ich keine Stelle mehr finden konnte, um die Nadel einzustechen. Als ich ihn auf dem Schoß hielt, fühlte ich, dass seine Haut jetzt völlig trocken war. Sie war knittrig, beinahe wie Schlangenhaut. Ich streichelte ihn, so behutsam wie nur möglich, aber es fühlte sich an, als könne man unter dem Fell seine Haut vom Körper abstreifen. Als er mich traurig anschaute, wusste ich, dass er nicht einmal seine Infusion wollte. Also ließ ich es bleiben. Ich wusste, was er wollte. Ich hielt ihn eine ganze Weile auf dem Schoß, sagte zur Abwechslung einmal nichts, berührte ihn nur und küsste ihn manchmal und traf die schwerste Entscheidung, die ich je in meinem ganzen Leben treffen musste.
Als Janis nach der Arbeit zu mir kam, erzählte ich ihr, dass ich dreimal versucht hatte, in Dianne DeLorenzos Praxis anzurufen, um einen Termin für den nächsten Morgen zu machen, um Norton einschläfern zu lassen. Ich sagte auch, dass ich bei jedem Anruf, sobald sich jemand gemeldet hatte, in Tränen ausgebrochen war und nicht hatte sprechen können. Janis fragte mich, ob ich sicher sei, dass es das Richtige und der richtige Zeitpunkt sei, und ich erinnerte mich an das, was Dianne zu mir gesagt hatte: Ich würde es wissen. Sie hatte vollkommen recht. Ich wusste es. Es gab keinen Zweifel. Also nickte ich – das mit dem Nicken funktionierte noch –, und Janis rief im Washington Square Animal Hospital an, sprach mit der Dame am Empfang und machte einen Termin für neun Uhr dreißig am nächsten Morgen aus.
An diesem Abend fragte ich Janis, ob es ihr etwas ausmache, wenn sie nicht über Nacht bleiben würde. Ich wollte, dass Norton es so behaglich wie möglich hatte, und ich wollte, dass er bei mir schlief. Ich wollte ihm zum allerletzten Mal nahe sein, und weil das Arrangement so kompliziert war – ich hatte ihn bei mir im Bett, rundum von Handtüchern umgeben, Futter und Wasser direkt neben ihm –, glaubte ich nicht, dass Platz für uns alle drei wäre. Janis ist nicht dumm – sie wusste, dass ich in Wirklichkeit einfach allein mit meinem Kater sein wollte, in seiner letzten Nacht auf Erden – also küsste sie uns beide und ging gegen neun Uhr abends nach Hause.
Um zehn waren meine Katze und ich im Bett. Ich war erschöpft (wissen Sie was? Die ganze Zeit zu weinen ist sehr anstrengend). Ich hatte Norton mit unter die Decke genommen, seinen Kopf auf dem Kopfkissen, so wie er am liebsten schlief. Ich lag neben ihm, auf die Seite gedreht, damit ich ihn sehen und berühren konnte, wann immer ich wollte.
Ich schlief, aber alles andere als gut. Immer wieder stand ich auf und befeuchtete meine Finger mit Wasser und ließ ihn dann die Fingerspitzen ablecken. Sein Atem ging rau und schwer.
Um ein Uhr dreißig am Morgen schreckte ich aus dem Schlaf hoch. Ich hörte ihn husten. Nicht laut, mehr so ein leises, ersticktes Geräusch, als räuspere er sich. Ich legte ihm die Hand auf den Kopf, so sanft und zart ich irgend konnte. Er atmete jetzt sehr langsam. Regelmäßig, aber kaum noch hörbar. Ich holte ihn unter der Decke hervor, hob ihn hoch und wiegte ihn in meinen Armen. Und er begann zu schnurren. So saßen wir etwa eine halbe
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