Klar sehen und doch hoffen
der privatisierten amerikanischen Soldateska im Irak, an die Zerstörung einer UNESCO-Schule in Gaza, an besonders pikante Kriege in Vorwahlkampfzeiten.
Für mich machten und machen folgende Verhaltens- und Denkweisen einen Bürgerrechtler aus:
Wer von Menschenrechten spricht und für Menschenrechte kämpft, tut das immer in einem überschreitenden Sinne: Was ist, ist nie das, was sein soll. Was hier gilt, soll überall gelten. Mit dem, was ist, soll man sich nie abfinden. Es gilt, die Differenz zwischen Ideal und Wirklichkeit zu vermindern. Wer für Menschenrechte kämpft und an ihre Verwirklichung glaubt, hängt immer einer Utopie nach, und er wird immer nur Näherungswerte erreichen, immer wieder und immer neu austarierend die sozialen Menschenrechte mit den individuellen.
Zivilcourage zu zeigen erfordert immer wieder Mut, als Einzelner aufzustehen, sich nicht einzufügen und einzuschmiegen, sich nicht unterzuordnen und gebückt mitzumachen, weil man den Preis kennt, den man zahlen muss, wenn man aus der Reihe tanzt. Wo keiner mehr Mut hat, wird der Mut des Einzelnen immer stärker gefordert. Mut macht Mut. Mutige machen anderen Mut. Zur Zivilcourage gehört Klarheit des Denkens, Aufrichtigkeit des Redens, Entschlossenheit des Tuns, Besonnenheit der Mittel.
Friedliche Konfliktlösung suchen, aber Konflikte nicht verschleiern, sie nicht schüren, sich der Friedfertigkeit des Herzens, der Hand und der Zunge befleißigen. Friedfertig sein und friedenschaffend wirken.
Homo politicus sein – Was alle angeht, geht alle an. Ein Bürgerrechtler gestattet sich keinen Rückzug ins Private, aber er schätzt das Private, den politikfreien Raum, den herrschaftsfreien Raum, den entspannten und entspannenden Raum, um dann wieder in der Gesellschaft – nicht verbittert – tätig zu werden.
Ein Bürgerrechtler lebt zugleich in lokalen und globalen Horizonten. Vor Ort handeln und auch immer global denken, sich weder auf das große Ganze noch auf das kleine Einzelne beschränken.
Ein-Mischer, ein Mitmischer sein, der auf Gestaltung aus ist, sich nicht über parteiliche Leisten schlagen lässt.
An Utopien festhalten. Ein Bürgerrechtler kann nicht ohne Utopien leben, ohne etwas, was noch keinen Ort hat, was noch auf Verwirklichung aus ist. Aber er erhebt keine totalitären Ansprüche auf die Erfüllung. Wer einzelne Schritte gehen will, muss immer die Richtung wissen. Wer einen Weg gehen will, muss ein Ziel im Auge haben, selbst wenn er weiß, dass er es nicht erreicht.
Am unendlichen Wert des Einzelnen festhalten. Ein Bürgerrechtlerlässt sich nicht von der Quantität beeinflussen, ihm geht es immer um Wert und Würde des Menschen, jedes Menschen, des je einzelnen Menschen.
Die Ziele der Bürgerbewegung in der friedlichen Revolution sind nicht eingelöst, aber der Handlungsrahmen ist in der Demokratie prinzipiell ausfüllbar. Toleranz zu üben ist schwer, zumal wenn man ein Leben lang Intoleranz erdulden musste. Doch sie ist eine Grund-Bedingung für Humanität.
Es gab einen nicht unerheblichen Teil von DDR-Bürgern, die meinten, dass dieser Staat DDR Erbe des großen humanistischen Traditionsgutes der deutschen Geschichte sei, gar der bessere und gerechtere deutsche Staat – ganz so, wie sich die Bundesrepublik als der bessere, weil freiheitliche deutsche Staat präsentierte.
Zum Erbe der 40 geteilten Jahre gehört zuallererst eine gewisse Schicksalsgemeinschaft hinter der Mauer. Hier richtete man sich ein, gründete seine Familie, war mit dem kleinen Glück, das für viele relativ gleich verteilt war, zufrieden. Zugespitzt: Dreiraumwohnung im Neubaublock in Halle-Neustadt, mit Garage für den Trabbi und kleinem Garten, mit 14 Tagen FDGB-Urlaub an der Ostsee, mit Rundumversorgung für die Kinder ab dem ersten Lebensjahr, mit garantiertem Arbeitsplatz und keiner Sorge bei Krankheit bzw. um die Begleichung der Arztkosten, mit vielen Kultur- und Sporteinrichtungen, für jedermann zugänglich, billigen Büchern und Schallplatten, geringen Preisen für Grundnahrungsmittel, spottbilligem Zugang zu Kino und Theater. Das alles will ich nicht bestreiten, sofern zugleich die Rede ist von den Rentnerheimen, von schäbig niedrigen Renten, von der Durchmilitarisierung der Gesellschaft, von Spaltung in Privat und Öffentlich, von der eindeutigen Welt des ND unter dem Genossen Günther Schabowski, von erpresserischer Bösartigkeit, mit derman die Bauern in die LPGs gedrängt hatte, vom Propagandarot, das das Grau der Wirklichkeit
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