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Klar sehen und doch hoffen

Klar sehen und doch hoffen

Titel: Klar sehen und doch hoffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Schorlemmer
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Vorgesetzter. Wayne Merry sei Abteilungsleiter der CIA für Osteuropa gewesen; die zweiten Sekretäre der Botschaften seien immer auch CIA-Mitarbeiter gewesen. Und infolgedessen galt ich als CIA-Agent. Bei dem Zusammentreffen mit einer Delegation des amerikanischen Repräsentantenhauses im Hotel »Goldener Adler« hätten sie das erste Mal in Stereo abgehört. (Und meine gesamte frei gehaltene Rede fand sich, vom Tonband abgeschrieben, in den Akten.)
    Die IM Gitte (Brigitte W.) sei sehr gut, zuverlässig und genau gewesen und hätte alles fleißig, begeistert und geldgierig gemacht, was ihr aufgetragen worden war. Sie brauchte Zeit, weil sie Probleme hatte. Sie brauchte Männer, weil ihr Mann im Gefängnis saß, und sie brauchte Geld, weil sie sich gern modisch kleidete. »Wir hatten alles.«
    IM Robert war erpresst worden. Dieser habe immer gesagt, »Schorlemmer hat Recht, du nicht«. Er sei trotz seiner vielen Berichte immer mehr auf meiner Seite gewesen. Bei zentralen Beratungen in Berlin seien außer den 16 Chefs der BV (Bezirksverwaltungen) nur zwei aus Kreisdienststellen (KD) nach Berlin geladen, nämlich aus dem Eichsfeld und aus Wittenberg – das eine Zentrum des Katholizismus, das andere Zentrum des Protestantismus. Über mich gebe es nach seiner Kenntnis 38 Ordner mit je 300 Seiten. Das wären also 11 400 Seiten. Meine Frau Heide sei bei mir »zentral geführt« worden. Über einen meiner Freunde sei meine Akte als Doppel mit angelegt worden – wegen der Erwartung, dass ich einen höheren Posten in der Kirche bekäme und aus Wittenberg weggehen würde. Und dann hätte man hier kein Material mehr gehabt.
    Das Material über meine Studienzeit sei nicht mehr vorhanden gewesen, erst ab meiner Studentenpfarrerzeit in Merseburg gäbe es Unterlagen.
    »Dies war meine Arbeit. Die hat mir auch Spaß gemacht. Und ich konnte sehr viele interessante Briefe lesen. Das fehlt mir jetzt. Zum Beispiel an und von Walter Jens.« Die Abteilung II habe seit 1989 wegen meiner CIA-Kontakte vier Monate die ganze Wohnung abgehört, und zwar findsicher. Die Dienststelle der Stasi hätte mitgehört, wie ich versucht hatte, mit verschiedenen Suchgeräten rauszukriegen, wo die Abhörgeräte eingebracht sind. »Aber mit dieser Technik hätten Sie das nicht rauskriegen können. Das war modernste Technik, und das Suchgerät, das Sie sich von Eppelmann geholt hatten, ist völlig veraltet gewesen.« Einer der einflussreichsten Leute der Kirche sei ich gewesen; wenn die Stasi alles gewusst hätte, was ich denke, wen ich treffe, was ich plane, dann hätte sie gewusst, was »die Kirche« will und was in der Kirche und in kirchlichen Räumen gemacht wird, weil ich ein großes Verbindungsnetz gehabt hätte.
    Schließlich hätten sie alle meine Daten und Kontaktpersonen gekannt.
    Gröber wusste auch, dass ich keine Provokationen wollte. In Halle beim Kirchentag sei auch alles abgehört worden. Die Sender seien jeweils mobil »am Mann« gewesen. In der Wohnung von Freunden sei bisher nur »vorgeklärt« worden; man hatte sich Schlüssel besorgt und alle Elektroleitungen aufgenommen. Abhörgeräte sollten im Herbst 89 eingebaut werden.
    Die Aufgaben der Staatssicherheit hätten sich nach 1968 grundlegend verändert. Die Beobachtung konzentrierte sich von da an im Wesentlichen auf die eigene Bevölkerung.
    Meine Kontakte zu den Russen im »Haus der Sowjetischen Kultur und Wissenschaften« seien zugleich Kontakte mit KGB-Mitarbeitern gewesen.
    Als meine beiden Freunde von dort während einer Seminareinheit allein in meinem Arbeitszimmer geblieben seien,wären sie sofort an meinen Schreibtisch mit Adressbüchern und anderen Unterlagen gegangen und hätten abgeschrieben und fotografiert. Das hätte die Stasi gehört. Es habe eine Auseinandersetzung mit dem KGB gegeben: »Für den sind doch wir zuständig«, habe die Stasi eingewandt. Und sie notierten in der Tat nahezu alles. In der Akte fand ich – geschwärzt – 1997 folgende Angaben:
    »34 Verbindungen und Kontakte zu Diplomaten der USA-Botschaft und der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR sowie zu Journalisten und Korrespondenten westlicher Massenmedien
    171 Verbindungen und Kontakte in die BRD
    28 Verbindungen und Kontakte nach Westberlin
    54 Verbindungen und Kontakte ins übrige NSA
    4 Verbindungen und Kontakte in das SW
    318 Verbindungen und Kontakte innerhalb der DDR (Gesprächskreise, Mitglieder negativ-feindlicher Personenzusammenschlüsse, Exponenten der staatsfeindlichen

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