Klassentreffen (German Edition)
meinem Leben, akzeptiert das doch endlich.«
Unter dem Tisch ballte sich Franzis Hand zu einer Faust. War sie niemand? Wäre das nicht der perfekte Augenblick gewesen, um ihrer Familie die Wahrheit zu sagen? Es war schwer zu ertragen, dass Meike die Gelegenheit ungenutzt hatte verstreichen lassen.
»Wie sieht es denn bei Ihnen aus, Franziska?«, wandte sich Johannes Jakobs nun an sie.
Franzis Herz klopfte schneller, sie spürte die Schlagader an ihrem Hals pulsieren. »Ich habe keinen Freund, wenn Sie das meinen.«
»Ach, diese jungen Frauen heutzutage. Denken, sie kommen ganz allein zurecht.« Meikes Mutter seufzte.
»Waren Sie denn auch mal verheiratet?«, hakte Meikes Vater nach.
Franzi schluckte. Sie bemerkte, dass Meike sie unsicher von der Seite anblickte. Ihre Finger krampften sich ineinander. »Nein, war ich nicht. Fast. Aber dann . . . gab es einen Unfall.«
»Ihr Freund ist gestorben?« In den Augen von Meikes Mutter spiegelte sich Entsetzen. Sie hielt sich bestürzt eine Hand vor den Mund.
Franzi nickte. Mehr wollte sie dazu nicht sagen – die Wahrheit würde alles nur komplizierter machen. Für einen Moment erinnerte sie sich daran, wie sie mit Isabels Familie zusammengesessen hatten. Es waren immer sehr lustige Abende gewesen. Niemand hatte sich verstecken müssen; ihre Liebe war immer akzeptiert worden. Die Erinnerung ließ den Schmerz, den sie jetzt so lange nicht gespürt hatte, langsam erwachen und seine Fühler nach ihr ausstrecken.
»Das tut mir leid.« Der Tonfall von Meikes Vater klang nüchtern. »Sind Sie deswegen zurück nach Goslar gezogen?«
»Ja, genau. Das ist jetzt zwei Jahre her.« Franzi begann zu schwitzen.
»Und seitdem hast du dich nicht mehr neu verliebt? Das kann ich mir kaum vorstellen.« Claudia nippte an ihrem Kaffee.
»Ja, also . . . Ähm . . .«, stotterte Franzi. »Das ist alles etwas komplizierter.« Sie räusperte sich. »Ich koche mal neuen Kaffee, die Kanne ist fast leer.« Froh, sich den durchdringenden Blicken und den bohrenden Fragen von Meikes Familie entziehen zu können, floh Franzi in die Küche. Es lief ja hervorragend. Sie stöhnte leise. Lange würde sie das nicht mehr aushalten.
Nur einen Moment später stand auch Meike in der Küche. »Es tut mir leid«, flüsterte sie.
»Ja«, war alles, was Franzi entgegnete. Sie machte einen Schritt auf Meike zu, wollte sie umarmen, an sich ziehen, ein wenig Trost bei ihr finden.
Aber Meike wich ihr aus. »Nicht. Es könnte jeden Moment jemand reinkommen.«
»Verstehe.« Franzi drehte sich wieder zur Kaffeemaschine.
Als sie nach einer Weile zurück ins Esszimmer kam, saßen alle schweigend am Tisch. »Noch jemand Kaffee?«, durchbrach Franzi die Stille. Sie schenkte nach. Dann setzte sie sich wieder.
»Hast du dir eigentlich schon überlegt, ob du nächstes Jahr mit uns in den Skiurlaub fahren möchtest?«, begann Johannes Jakobs eine neue Verhörrunde. Er sah Meike erwartungsvoll an.
Unter dem Tisch berührte Meikes Hand für einen winzigen Moment Franzis Oberschenkel. »Ich weiß es noch nicht.«
»Aber du bist bisher jedes Jahr mitgefahren.« Meikes Vater rührte in seiner Tasse. »Zumindest in den Jahren ohne Thomas.«
»Vielleicht habe ich nächstes Jahr etwas anderes vor.« Meike suchte Franzis Hand und drückte sie.
Franzi schloss kurz die Augen. Die Berührung tat gut.
»Was gibt es denn Wichtigeres, als mit deiner Familie in den Urlaub zu fahren? Jedenfalls solange du keine eigene Familie hast.« Johannes Jakobs musterte Meike kritisch. Augenblicklich ließ Meike Franzis Hand los.
»Ich muss mal gucken.«
»Aber auf euch kann ich zählen, oder?« Meikes Vater drehte sich zu seiner anderen Tochter um. Claudia wechselte einen Blick mit ihrem Mann.
»Wir haben uns noch keine Gedanken darüber gemacht. Lass uns ein anderes Mal darüber reden«, sagte sie und lächelte ihren Vater an. Offensichtlich erzielte das die gewünschte Wirkung, denn Johannes Jakobs schwieg.
»Möchtet ihr ein Glas Wein? Oder ein Bier?«, fragte Meike, als alle ihre Tassen geleert hatten.
Sie nahmen im Wohnzimmer Platz. Meike servierte die Getränke und achtete dabei peinlich genau darauf, Franzi nicht zu nahe zu kommen. Dabei hätte Franzi Meike so gern umarmt, sie geküsst, wenigstens ihre Hand gehalten. Jedes Mal, wenn Robert seine Frau verliebt anlächelte, spürte Franzi ein Grummeln in ihrem Bauch. Warum durfte sie nicht einmal das?
Endlich waren sie allein. Franzi hatte den Tag
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